Schlüsselwörter dieser Seite:     Physik Stromkreise Klassenarbeit Abschiedsgeschenk Nebenrechnungen

 

 

 

Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

Ins Netz gestellt von Planet Poster Editions

Kapitel:

 

07 Wolln wir abhaun? - Countdown in Mainz 1980

Seite:

 

28

Kapitel in Band 1:

Kapitel in Band 2:

Kapitel in Band 3:

 
Seiten dieses Kapitel:

01 02 03 04 05 06 07 08 09

10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 Epilog

01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33

vorige Seite        nächste Seite          


Erste Stunde, Physik, bei Schlier. Wir schrieben einen Test. Er teilte die Zettel mit den Aufgaben aus. Stromkreise. In den ersten Minuten schrieb ich nur wenig, führte ein paar Rechnungen auf Schmierzetteln durch, drehte das Blatt oft um und überlegte, was für Mist ich auf die Arbeit schreiben könnte. Er ging durch die Reihen. Ich durfte ihn nicht provozieren, denn wir hatten ihn in der vierten Stunde nochmal, in Mathe.
Ich wollte die beste und genialste Klassenarbeit schreiben, die er in seiner gesamten Laufbahn würde korrigieren müssen. Er sollte selber auch etwas zum Lachen haben. Zumindest wenn er wenigstens in der Lage war, auch einmal ein wenig über sich selbst lachen zu können. Mein Abschiedsgeschenk an Schlier. Sogar etwas Schriftliches. Ein richtiges Kunstwerk.
Ich verstand die Stromkreise relativ gut und wusste, wie man mit Stromkreisen Gags produzieren konnte. Ich wusste, wo genau man in den Rechnungen Zahlen falsch schreiben konnte, sodass es komisch wirken musste. Endlich konnte ich Fragen wortgetreu und mit viel Witz beantworten. Sachen hinschreiben, die es mich schon immer gereizt hatte, hinzuschreiben, und wofür es allerdings keine Punkte gegeben hätte. In dieser Arbeit wollte ich null Punkte bekommen. Zumindest für Physik.
Er ging durch die Reihen. Ganz langsam, zu jedem einzelnen Schüler. Fünfundvierzig lange Minuten lang. Ich konnte nur die eine Seite des A4-Zettels beschreiben. Die andere Seite behielt ich frei, damit ich den Zettel umdrehen konnte, wenn er kam. Und er kam mehrmals vorbei. Er merkte nichts. Ich legte den Schmierzettel drüber und führte Nebenrechnungen durch. Sinnvolle Nebenrechnungen, korrekte Nebenrechnungen. Er sollte keinen Verdacht schöpfen.
Gegen Ende der Stunde nahm die Unruhe zu. Immer mehr gaben ihre Arbeit ab. Jetzt ging er nicht mehr durch die Reihen und ich konnte ein glänzendes Finale hinlegen. Alles, was ich mir noch an Mist ausgedacht hatte, kam aufs Papier. Ich zeigte es kurz Steffen. Er musste fast lachen. Natürlich musste er vorsichtig sein, wenn er auf mein Blatt sah. Er durfte sich ja nicht beim Abschreiben erwischen lassen. Schlier wusste ja nicht, was es war, das er da hätte abschreiben können.
Das einzige Problem war, wenn Schlier in den nächsten zwei Stunden eine Freistunde hätte. Und er dann schonmal die Arbeiten korrigieren würde, oder zumindest damit anfangen. Es kam hin und wieder vor, dass er solche Arbeiten bereits am Mittag fertig korrigiert und dann sogar zurückgegeben hatte. Na gut, das war das Risiko.
Steffen gab seinen Zettel ab. Jetzt konnte er meinen lesen. Ich schrieb noch ein paar letzte Gags, schaute mir mein Werk nochmal an und sah, es war eines Schlier würdig*. Dann ging ich nach vorne und packte den Zettel unauffällig irgendwo ziemlich weit unten in den hohen Stapel bereits abgegebener Arbeiten. Wenn er anfangen würde zu korrigieren, dann hoffentlich von oben in der Reihenfolge, wie sie jetzt zu liegen kamen. In der vierten Stunde würde ich mehr wissen. Es blieb also spannend.

Zweite Stunde, Geschichte. Die letzte Stunde bei Herrn Krotzke. Krotzke hätte ich auch noch mitnehmen können, er verteilte auch hin und wieder Einträge und Tadel. Aber da hing die Klasse mit drin. Der Geschichte-Lehrer stand kurz vor der Pensionierung. Wir nannten ihn Laberkrotzke, und entsprechend war sein Unterricht. Aber seinen Charakter mochten wir nicht. Wenn auch nur einer aus der Klasse ihn trietzte, konnte er derart wütend werden, dass alle darunter zu leiden hatten. Ein launischer Lehrer, der seine Wut an der ganzen Klasse ausliess. Nein, er hatte diese Ehre gar nicht verdient. Demonstrativ arbeitete ich mit. In den Lausbubengeschichten von Ludwig Thoma wäre er mit keinen Wort erwähnt worden.
Ich schrieb an Viktoria.

Wir sehen uns heute das letzte Mal. Morgen fahren wir. Die Fahrscheine haben wir schon. Unser Mutter haben wir heute früh angerufen. Die “Koffer” sind schon halb gepackt.

Ausserdem machte er Fred dauernd fertig, weil er so lang und dünn war. Wir durften das. Aber ein Lehrer durfte das eigentlich nicht. Und Renés Nachnamen konnte er sich nicht merken. Viktoria schrieb zurück.

Ich dachte übermorgen.

Ich schrieb auf demselben Zettel weiter und ging das Risiko ein, dass sie den behielt. Wenn sie die Antwort drunter schreiben würde, wäre es mein zwanzigster Brief.

War auch geplant. Aber ich habe mir bei der Horst schon was geleistet (Was ich in der 4. Std. wiederholen will). Der Brief kommt bestimmt morgen an. (Eine Überaschung für meine Eltern.

Lange Texte zu schreiben war hier leichter als bei Quandt. Aber vorsichtig musste ich trotzdem sein. Und nachzuschauen, ob auch kein Rechtschreibfehler drin oder eine Klammer nicht zu war, barg unnötige Risiken. Sie schrieb die Antwort drunter und ich bekam den Brief tatsächlich wieder zurück. Mein zwanzigster Brief von Viktoria.

Dann tschüs und alles Gute

Ich war enttäuscht. Bis zuletzt hatte sie mit keinem Wort meine Shows bei Quant und Horst kommentiert. Mit keinem Buchstaben hatte sie auch nur irgendwie geschmunzelt. Wenn sie wenigstens Missfallen geäussert hätte, dass sie es lächerlich fand, oder pubertär, oder unfair, oder riskant ihr gegenüber, oder dass ich nicht glauben solle, dass die Klasse Spass dabei hätte, wenigstens irgendeine Stellungnahme. Sie musste ja nicht gleich wie Leute wie Alexander, Trapper oder Louis nach der Stunde immer wieder Frau Horsts Worte wiederholen.
Es war schade. Da erlebte sie etwas live mit, wurde unbemerkt als Briefchenadressatin sogar einbezogen in fast schon so etwas wie real life-Theaterstücke, wusste als einzige ausser Steffen, wie die Schauspielerrollen in Wirklichkeit verteilt waren, und konnte es ganz offenbar nicht geniessen. Es war fast, als könnte sie die Einmaligkeit und die Unwiederbringbarkeit einer ganzen Zeit gar nicht erfassen. Das grosse Glück, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auf diesem Planeten zu sein. Und so eine Show live geboten zu bekommen. Völlig exklusiv. Für sie. Wie oft lebten wir denn?
Ich hatte ihre emotionale Verschlossenheit bis dahin immer damit erklärt, dass ich auch vorsichtig wäre, Gefühle zu äussern, wenn sich jemand in mich verliebt hätte und ich das abblocken müsste. Ich reagierte mit gekränkter Gleichgültigkeit, eine Reaktion, die ich mir sofort wieder verbot. Schliesslich handelte es sich doch um Viktoria selbst. Also neutrale Gleichgültigkeit.
So kam ich auf jeden anderen Gedanken, nur nicht auf den, dass sie vielleicht generell Schwierigkeiten haben könnte, Gefühle nachzuvollziehen oder zu äussern. Mädchen konnten das besser als Jungen, und mindestens besser als ich. Viktoria war ein Mädchen, auch wenn sie sich mit ihren kurzen braunen Haaren eher nicht so gab, und sich auch wie Jungen anzog. Auch ihre relativ dunkle Stimme passte dazu. Ich bewunderte sie und fand das total schön. Wer weiss, vielleicht war sie mit ihrer Geschlechterrolle auch nicht ganz so glücklich. War ich ja auch nicht. Zwei Jahre später würde ich mich als einziger Junge einer Klasse wiederfinden, der bei einer Klassenfahrt ein Nachthemd statt eines Schlafanzuges anzog. Aber daran, dass sie mir auf der Gefühlsebene haushoch überlegen sein musste, zweifelte ich nie auch nur eine Sekunde.
Sie hatte das perfekte Sozialverhalten. Auch wenn sie im Moment keine enge Freundin hatte, war sie allseits beliebt. Dass sie in einem ganz nah benachbarten Bereich dennoch vielleicht irgendwo derart grosse Schwierigkeiten haben könnte, konnte ich mir gar nicht vorstellen.
Gefühle nachvollziehen. Steffen konnte das. Er wusste, was in mir in solchen Momenten vorging. Von meinen Familienverhältnissen wusste er eher noch weniger als Viktoria. Aber er wusste, was in mir vorging, wenn ich in der vierten Stunde noch einen letzten Eintrag mit Brief an die Eltern bekommen wollte.

* Der Physiktest schaffte es über unseren Vater später sogar bis in die Gerichtsakten.

Nächste Seite




 

Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

www.hausdernatur.de - Museum Haus der Natur in Cismar an der Ostsee

www.100partnerprogramme.de - Geld verdienen im Internet mit Karsten Windfelder

www.affiliate-katalog.de - Partnerprogramm-Suchmaschine

images.google.com - Bilder suchen mit Google

www.wale-und-delfine.de - Wale und Delfine

 

 


Gutenberg-Gymnasium, Mainz

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



Kontakt (Autor, Verlag) siehe Impressum, unten letzte Zeile.
Links zu allen Einzelseiten: 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10   11 12 13 14 15 16 17 18 19 20   21 22 23 24 25 26 27 28 29 30   31 32 33 34 35 36 37 38 39 40   41 42 43 44 45 46 47 48 49 50   51 52 53 54 55 56 57 58 59 60   61 62 63 64 65 66 67 68 69 70   71 72 73 74 75 76 77 78 79 80   81 82 83 84 85 86 87 88 89 90   91 92 93 94 95 96 97 98 99 100   101 102 103 104 105 106 107 108 109 110   111 112 113 114 115 116 117 118 119 120   121 122 123 124 125 126 127 128 129 130   131 132 133 134 135 136 137 138 139 140   141 142 143 144 145 146 147 148 149 150   151 152 153 154 155 156 157 158 159 160   161 162 163 164 165 166 167 168 169 170   171 172 173 174 175 176 177 178 179 180   181 182 183 184 185 186 187 188 189 190   191 192 193 194 195 196 197 198 199 200   201 202 203 204 205 206 207 208 209 210   211 212 213 214 215 216 217 218 219 220   221 222 223 224 225 226 227 228 229 230   231 232 233 234 235 236 237 238 239 240   241 242 243 244 245 246 247 248 249 250   251 252 253 254 255 256 257 258 259 260   261 262 263 264 265 266 267 268 269 270   271 272 273 274 275 276 277 278 279 280   281 282 283 284 285 286 287 288 289 290   291 292 293 294 295 296 297 298 299 300   301 302 303 304 305 306 307 308 309 310   311 312 313 314 315 316 317 318 319 320   321 322 323 324 325 326 327 328 329 330   331 332 333 334 335 336 337 338 339 340   341 342 343 344 345 346 347 348 349 350   351 352 353 354 355 356 357 358 359 360   361 362 363 364 365 366 367 368 369 370   371 372 373 374 375 376 377 378 379 380   381 382 383 384 385 386 387 388 389 390   391 392 393 394 395 396 397 398 399 400   401 402 403 404 405 406 407 408 409 410   411 412 413 414 415 416 417 418 419 420   421 422 423 424 425 426 427 428 429 430   431 432 433 434 435 436 437 438 439 440   441 442 443 444 445 446 447 448 449 450   451 452 453 454 455 456 457 458 459 460   461 462 463 464 465 466 467 468 469 470   471 472 473 474 475 476 477 478 479 480   481 482 483 484 485 486 487 488 489 490   491 492 493 494 495 496 497 498 499 500   501 502 503 504 505 506 507 508 509 510   511 512 513 514 515 516 517 518 519 520   521 522 523 524 525 526 527 528 529 530   531 532 533 534 535 536 537 538 539 540   541 542 543 544 545 546 547 548 549 550   551 552 553 554 555 556 557 558 559 560   561 562 563 564 565 566 567 568 569 570   571 572 573 574 575 576 577 578 579 580   581 582 583 584 585 586 587 588 589 590   591 592 593 594 595 596 597 598 599 600   601 602 603 604 605 606 607 608 609 610   611 612 613 614 615 616 617 618 619 620   621 622 623 624 625 626 627 628 629 630   631 632 633 634 635 636 637 638 639 640   641 642 643 644 645 646 647 648 649 650   651 652 653 654 655 656 657 658 659 660   661 662 663 664 665 666 667 668 669 670   671 672 673 674 675 676 677 678 679 680   681 682 683 684 685 686 687 688 689 690   691 692 693 694 695 696 697 698 699 700   701 702 703 704 705 706 707 708 709 710   711 712 713 714 715 716 717 718 719 720   721 722 723 724 725 726 727 728 729 730   731 732 733 734 735 736 737 738 739



 Impressum

© Planet Poster Editions 2007



login