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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

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Kapitel:

 

21 - Dreissig Schritte bis zum Ufer - English for runaways

Seite:

 

04

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Dienstag, 6. Oktober 1987
Die Nacht war angenehm und verlief ohne Zwischenfälle. Am Morgen wurde ich von den Vögeln geweckt. Die Arbeit, den Schlafsack zusammenzurollen und den Rucksack zu packen konnte ich mir praktischerweise sparen - schnell war ich wieder auf dem Weg nach Westen. Die Strassen in dieser Stadt spielten allerdings nicht immer so mit, wie ich wollte - wenn sie nicht gleich wieder endeten, führten sie leicht nach Norden.
Norden konnte ich jetzt nicht mehr brauchen. Da ich jetzt keinen Schlafsack mehr hatte, war die Idee mit Kanada erstmal überholt. Denn Kanada wäre noch kälter im nahenden Winter - ich musste also nicht nur nach Westen, sondern vor allem in den nächsten Wochen auch ein gutes Stück nach Süden kommen, wenn ich nachts nicht erfrieren wollte. Wenn mir die Strassen zu weit nach Norden führten, ging ich ab und zu einfach eine Querstrasse nach Süden. Wo ich mich genau befand, interessierte mich erstmal nicht, ich hatte sowieso keinen Stadtplan von hier. Der nächste Fluss, den ich überquerte, war der Passaic River. Und das nächste Stadtviertel hiess entsprechend auch Passaic.
Langsam nahm die durchschnittliche Höhe der Häuser ab. Vor einem etwas grösseren Gebäude blieb ich stehen und überlegte einen Moment. Es war eine öffentliche Bibliothek. Bibliotheken könnten auch Landkarten haben, dachte ich mir, und musste mich ziemlich überwinden, hineinzugehen. Denn gewaschen hatte ich mich schon seit Tagen nicht, das gehörte momentan absolut nicht zu meinen Problemen. Eigentlich sah ich langsam aus wie ein Penner.
Aber die in der Bibliothek waren nett und zeigten mir die Kartenabteilung. Ich schrieb mir aus der Karte von New Jersey jede Menge Orte heraus, die in meiner Richtung lagen. Ich hatte richtig vermutet, ich musste erstmal nach Westen, wenn ich endlich aus dieser Stadt raus wollte. Dann müsste ich New Jersey in südwestlicher Richtung durchqueren, bis zu einem Ort, der Frenchtown hiess und am Delaware River lag, und danach weiter durch Pennsylvania.
Ich wanderte den ganzen Tag, aber aus der Stadt kam ich heute nicht mehr raus. Immerhin, die Bebauung ging langsam über in Einfamilienhäuser, und an einem Haus sah ich endlich einen Wasserhahn. Ich drehte mich verstohlen um - seit Stunden hatte ich hier niemanden mehr zu Fuss gehen sehen - und schlich mich auf das Grundstück. Endlich Wasser. Ich muss fast zwei Liter getrunken haben. Grossstädte wie New York waren streckenweise eine ganz schöne Wüste.
Bald wurde es Abend und ich musste wieder eine Stelle zum Übernachten suchen. Hin und wieder waren Altpapier-Zeitungen am Strassenrand gestanden und ich hatte mich bedient. Diese Nacht würde ich ausprobieren, wie es mit Zeitungen ging.
Das Wetter hatte sich verschlechtert. Bewölkung war aufgekommen, ich musste mich auf Regen gefasst machen. Zwischen ein paar Bäumen fand ich eine unauffällige Stelle. Einige Kisten lagen herum. Ich baute mir eine Art Höhle und deckte mich mit den Zeitungen zu. Natürlich, es musste tatsächlich anfangen zu regnen.

Mittwoch, 7. Oktober 1987
Ganz durchnässt war ich nicht am frühen Morgen, aber so romantisch wie die Nacht zuvor war es nicht gewesen. Die nassen Zeitungen konnte ich im Altpapier entsorgen. Inzwischen hatte ich auch kaum noch Lebensmittel. Hin und wieder wuchsen irgendwo Äpfel oder Birnen. Ich erreichte das Stadtviertel Caldwell, ein reines Wohngebiet. Caldwell lag genau westlich von Passaic und Hackensack, ich war also auf dem richtigen Weg.
Den dritten Tag war ich nun schon unterwegs, und war immer noch nicht aus der Stadt raus. Mexico City und Tokyo hatten zwar mehr Einwohner als New York, waren jedoch dichter bebaut. New York musste mit seinen riesigen Vierteln von Einfamilienhaus-Grundstücken die von der Fläche her grösste Stadt der Welt sein.
Hinter West Caldwell riss die Bebauung endlich auf und gab den Blick auf die grünen Wiesen von New Jersey frei. Ich wusste, was ich hinter mir hatte: ich war tatsächlich zu Fuss aus New York rausgelaufen. Ein wahrhaft würdiger Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Stände ich heute noch einmal davor, ich würde vielleicht nochmal an der George Washington Bridge beginnen.
Hanover, Florham Park, Madison. Nun konnte ich es mir endlich leisten, nach Südwesten zu gehen. Und mir die Tafeln durchzulesen, die in Erinnerung an irgendwelche Szenen aus dem Bürgerkrieg von 1865 aufgestellt waren. Oder auf denen das Jahr irgendeiner Ortsgründung verzeichnet war.
Unter ein paar Bäumen machte ich Pause. Irgendwie hatte ich immer noch etwas Brot und Käse. Neben einer Kirche stand eine kleine Tafel mit historischen Daten. 1781. Wie stolz sie hier waren, wenn sie bei ihren Jahreszahlen mit einer siebzehn aufwarten konnten. Wenn ich überlegte, wo ich herkam. In Mainz und Trier konnten sie locker eine null statt einer siebzehn davor schreiben, und selbst bei einem Kaff mit so einem historisch ungünstigen Namen wie Neustadt reichte es immer noch locker für eine zwölf. Ein Polizeiwagen hielt an und ein freundlicher Polizist stieg aus.
Fast ein wenig schüchtern fragte er mich nach Papieren und was ich hier machte, alleine, und vor allem zu Fuss. Oh, ich sei Tourist, aus Germany, und uns in Germany würde zu Fuss gehen Spass machen. Ach ja, das hatte er auch schon gehört. Allerdings noch nie einen deutschen Reisepass gesehen. Standen auch richtige deutsche Wörter drin. Er war froh, dass er mit mir keine Arbeit hatte, lächelte und bot mir an, mich als Entschädigung für seine Indiskretion ein paar Kilometer mitzunehmen. Über New Vernon und Logansville ging es nach Südwesten.
Germany sei wohl ziemlich weit weg, meinte der Polizist, nie käme er auf den Gedanken, so weit fortzufahren. Und das mit der deutschen Sprache fand er auch komisch. Die müssten dann ja vor dem Sprechen alles, was sie denken, erstmal übersetzen, sinnierte er nachdenklich, und stellte es sich ziemlich unpraktisch vor. Deutsch war in der Tat ziemlich unpraktisch hier, konnte ich ihm beipflichten. Ständig war ich auf der Suche nach irgendwelchen Vokabeln. Verdammt, was hiess zufällig auf Englisch?
Im Supermarkt von Bernardsville durfte ich mir sogar was zu Trinken aussuchen. Ich entschied mich für eine grosse Plastikflasche Orangensaft. So konnte das weitergehen. Bullen-Tramp nach Bernardsville, schrieb ich in mein kleines chinesisches Tagebuch. Das selbstverständlich in der Jacke gewesen war. Ich würde alle meine Tramps ins Tagebuch schreiben.
Das Tagebuch war mehr oder weniger eine Art Gerüst. Ich schrieb ausser den Tramps meist nur ein paar Orte rein, durch die ich durchgekommen war. Später kamen Abschriften von Briefen dazu, die ich an Bekannte schrieb.
Irgendwo zwischen Bernardsville und Lamington musste ich übernachtet haben. Fast ein Jahrzehnt lang konnte ich mich noch genau an jeden einzelnen Übernachtungsplatz erinnern. Irgendwie schaffte ich es immer wieder, mir einen Schlafplatz herzurichten und irgendwo unter Blättern, Stroh oder Zeitungen eine ruhige Nacht zu verbringen. Und langsam gewöhnte ich mich dran und es begann sogar, ein wenig Spass zu machen. New Jersey lag etwa so südlich wie Italien, aber es erinnerte eher ein bisschen an Dänemark.
Nur dass überall wilder Wein wuchs. Die ersten Europäer, die mit Leif Eriksson vor tausend Jahren von Grönland kommend möglicherweise hier oder in Neufundland an Land gegangen waren, nannten die Gegend Vinland*. Wenn ich gefragt worden wäre, worin sich dieses Land von Dänemark unterschied, hätte ich als erstes den Wein genannt. Es wuchsen hier viele verschiedene Arten.

* Bedeutete möglicherweise nicht Weinland, sondern Wiesenland, altnorwegisch vin = Wiese. Leifur Eriksson, 1002. Weintrauben sind in den um 1200 entstandenen Wikinger-Sagas jedoch auch dokumentiert. Die Wikinger siedelten dort bis mindestens 1120, danach verlor sich der Kontakt zu Europa.

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Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

www.hausdernatur.de - Museum Haus der Natur in Cismar an der Ostsee

www.100partnerprogramme.de - Geld verdienen im Internet mit Karsten Windfelder

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www.wale-und-delfine.de - Wale und Delfine

 

 


New York, George Washington Bridge über den Hudson River nach New Jesey

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



Kontakt (Autor, Verlag) siehe Impressum, unten letzte Zeile.
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