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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

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Kapitel:

 

21 - Dreissig Schritte bis zum Ufer - English for runaways

Seite:

 

06

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10. Oktober 1987
Boyertown-Birdsboro-Gibraltar-568-Alleghenyville-Knauers. Fast vierzig Kilometer wanderte ich heute, durch schöne liebliche Täler mit Wiesen und Wäldern. In Knauers fand ich eine alte Scheune mit Laub, in der ich übernachten konnte. Ich sollte mich auch langsam mal an die Meilenangaben gewöhnen.

11. Oktober 1987
Erstmal lief ich mich wieder fünfzehn Kilometer warm, bis Ephrata, und hielt mich weiter nach Südwesten. Vor Brownstown führte eine Brücke über den US Highway 222. Das war so etwas wie eine vierspurige Bundesstrasse. Stark befahren war sie nicht. Ausserdem fing es an zu regnen. Ein trister Tag. Die Schnellstrasse führte genau in meine Richtung. Sie entlangzugehen wäre zwar alles andere als landschaftlich attraktiv, aber ich würde mir das ständige Kreuz und Quer sparen, das ich bei den Nebenstrassen zu erwarten hätte. Ich ass noch ein paar Äpfel, die ich irgendwo gesammelt hatte, und überlegte.
Bei dem Regen hatte ich sowieso nicht viel von der Landschaft, und an der Strasse käme ich ein paar gute Kilometer voran. Ausserdem musste ich früher oder später über den Susquehanna River, der noch breiter als der Delaware war, und es gab noch weniger Brücken. Der Susquehanna River mündete in die Chesapeake Bay, wo Baltimore lag, und auch diese Millionenstadt musste ich nördlich umrunden. Ich musste noch ein ganzes Stück nach Westen, bevor ich in Virginia wirklich nach Süden gehen konnte. Washington kam vorher auch noch.
Ich ging die Brücke runter, ignorierte die lauten Autos und wanderte Kilometer für Kilometer die Strasse entlang. Es ging besser als ich erwartet hatte. Fast sogar meditativ. Längst hatte ich meinen Schock von New York verkraftet und hatte neuen Mut gefunden, die Vereinigten Staaten nach Südwesten zu durchwandern. Meine Gedanken begannen zu kreisen.
Wozu war ich hier?

Lina hatte sich in mich verliebt - und es mir nicht gesagt, bevor ich nach Amerika flog. Sie hatte mich gehen lassen, überzeugt davon, dass ich Viktoria liebte und sie suchen müsste. Viktoria, meine ehemalige Mitschülerin aus Mainz, mit der ich schon seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt hatte.
Doch ich hatte nie das Gefühl gehabt, ich konnte mich einfach bei ihr melden, so wie Lina es spontan und ein wenig naiv vorgeschlagen hatte. Ich hatte eher das Gefühl, dass Zeit vergehen musste, bis ein erneuter Kontakt mit Viktoria mögloch wäre. Den Grund verstand ich nicht, aber ich hatte dieses Gefühl. Zeit, die ich beispielsweise damit zubringen konnte, an einem highway in den USA im Regen entlangzuwandern.
Die Strasse war gerade. Sie lief direkt auf die Nordumgehung von Lancaster und die Brücke über den Susquehanna River zu. Nach so vielen Kilometern im Zickzack durch New Jersey und Pennsylvania schien es fast, als wollte mich die laute, verregnete und unattraktive Strasse mit dieser Direktheit ein wenig entschädigen. Wenn mich die Autos nicht mit Absicht nassspritzten, war ich schon zufrieden.
Zeit.
Richtig schön gerade war die Strasse. Man konnte kilometerweit nach vorne sehen. Langsam war ich nass geworden. Aber so schlimm war das auch nicht. Viele Kilometer vor mir befand sich eine Brücke, der ich mich langsam näherte. Wenn der Regen zu stark würde, könnte ich mich dort unterstellen und eine Pause machen.
Zeit, die ich hinter mich bringen musste. Ich musste einfach nur älter werden. In diesen Tagen begann ich mir zu wünschen, ich würde möglichst schnell möglichst viel älter werden. Hoffentlich sollte es nicht noch Jahrzehnte dauern, bis ich sie wiedersehen und sie heiraten würde. Und wenn doch, dann sollten diese Jahrzehnte möglichst schnell vorübergehen.
Warum hielt ausgerechnet jetzt da vorne unter dieser Brücke ein Auto?
Vielleicht würde soviel Zeit vergehen, dass wir uns am Ende gar nicht mehr wiedererkennen würden? Nein, das konnte auch nicht sein.
Der Fahrer des hellblauen Transporters unter der Brücke schien dort eine Pause zu machen. Aber warum ausgerechnet unter der Brücke? Er hatte doch ein Auto und konnte sich überall anders auch hinstellen. Ich dagegen war zu Fuss und brauchte nach acht Meilen eine Pause. Autokennzeichen New Jersey, also Überlandverkehr. Ich erreichte die Brücke.
Der Typ öffnete das Fenster und fragte, wo ich hinwollte. Er hatte mich gesehen und dachte, er hielt mal an. Lancaster, meinte ich, York, Gettysburg, immer weiter nach Südwesten. Just touring around. Woher ich käme. Oh, aus Germany? Ich kann dich mitnehmen, ich zeig dir mal was von America. Ich komme aus Atlantic City.
Atlantic City lag in New Jersey, daher das Kennzeichen. Er fuhr los, die Nordumgehung vorbei an Lancaster. Hinter Columbia ging es auf die grosse Brücke über den Susquehanna River. Die Fahrt endete nach siebzig Kilometern auf einer Wiese in der Nähe der Stadt York, mit einer besonderen Attraktion.
Gun show.
Eine Art Messe. Der Typ war Hobbyjäger und besuchte die alljährlich stattfindende Waffenausstellung. Cool. Wo man alles noch hinkam. Ich ging an den Ständen der Firmen und Händler entlang. In meiner olivgrünen Jacke mit den vielen Taschen fiel ich gar nicht auf. An einigen Ständen hatten sie neben Waffen auch ein paar Survival-Artikel, Wasserflaschen oder Kompasse, was ich interessanter fand. Billige Schlafsäcke gab es leider nicht.
Dann lud er mich noch zu McDonald's zu einem Big Mac ein, schenkte mir einen kleinen Strassenatlas der USA, verabschiedete sich und fuhr wieder zurück, nach Atlantic City, USA. Es gab einen Film, der so hiess. Kanada/Frankreich 1980. Mit Burt Lancaster. Lancaster hatte ich hinter mir. York auch. Der nächste Ort hiess bezeichnenderweise East Berlin. Ich schlich mich auf ein Grundstück, ein Haus mit einer offenen Scheune nebenan. Ob ich die Leute fragen sollte, ob ich hier übernachten durfte? Aber ein Hund war nicht in der Nähe. Ich ging in die Scheune, richtete mir ein Bett im Stroh her und schrieb mit dem restlichen Tageslicht einen kleinen Brief an Swantje und Jens in Neustadt. East Berlin, Pennsylvania.

12. Oktober 1987
Die Nacht war zwar gut, aber bei klarem Nachthimmel war es schon empfindlich kalt geworden, bald war es Mitte Oktober. Ich musste früh aufstehen und los. Oh, sie hatten doch einen Hund, der wohl immer morgens aus der Haustüre gelassen wurde. Er war etwas irritiert, mich aus der Scheune kommen zu sehen. Oder es war ihm auch noch zu kalt, wie mir.
Immer länger dauerte es jetzt, bis ich morgens warmgelaufen war. Ich ging die Strasse nach Westen entlang, als auf einmal ein Wagen anhielt. Ich hatte mich gar nicht umgedreht. Er nahm mich bis Hampton mit, immerhin, zehn Kilometer oder so waren das auch. I can't see anybody walking, hatte er gemeint. Wenn es so weiterging, war ich bald in Maryland. Der nächste Fluss wäre der Potomac River.
Aber mir war immer noch kalt von der Nacht und es tat gut, jetzt erstmal fünfzehn Kilometer an der Strasse entlangzugehen. New Chester, Hunterstown. Langsam tauten auch meine Hände auf.
Gettysburg war in den ersten Julitagen 1863 Schauplatz der wohl fürchterlichsten Schlacht im amerikanischen Bürgerkrieg gewesen. Überall standen die Kanonen, Monumente und Tafeln, die an die tausenden von Toten erinnerten. Und welcher General welche heldenhafte Brigade wo in den Kampf geführt hatte. Die Schlacht hatte den Bürgerkrieg nicht entschieden, eigentlich war sie unentschieden ausgegangen. Die Konföderierten aus dem Süden hatten die Unionisten auf ihrem eigenen Gebiet schlagen wollen, und das hatten sie nicht geschafft. Also hatten sie den Rückzug antreten müssen.
Im Zentrum von Gettysburg gab es ein Touristenbüro, wo mir eine nette Dame einen Briefumschlag gab (You've got a friend in Gettysburg stand drauf) und sogar das Porto spendierte. Ich nahm mir noch ein paar Informationen über die Schlacht mit. Eigentlich war es gar keine geplante Schlacht gewesen, niemand hatte sie vorausgesehen. Die Truppen waren nur mehr oder weniger zufällig aufeinander gestossen. Vielleicht war sie deshalb so brutal gewesen. Tagelange Stellungskämpfe, wie später in der Champagne. Und wie in der Champagne reichte es auch hier nicht zu der Einsicht, etwas derartiges in Zukunft möglichst zu vermeiden.
Hinter Gettysburg fand ich ein paar Dollarscheine im Strassengraben. Ich war ja inzwischen einiges gewöhnt, was am Strassenrand lag, aber dass sie hier schon das Geld aus den Autofenstern warfen, war neu. Doch mit der Methode, wie ich hier durchs Land ging, würde ich die Dollars noch eine hübsche Zeit lang behalten. Ich ernährte mich in diesen Tagen von reifem Obst, Mais und hin und wieder abgepacktem Fast Food-Kram, den ich am Strassenrand fand.
Acht Meilen waren es bis Fairfield. Irgendwo dahinter muss ich wieder übernachtet haben. Es würde immer kälter. Ich musste nach Süden.
Der Strassenatlas war zwar hilfreich, aber wie sollte ich denn inches in Meilen umrechnen? Also, ein Breitengrad entsprach einhundertelf Kilometern. In einer Woche musste ich zweihundertneunundfünfzig Kilometer weit nach Süden kommen, hatte ich mir in Gettysburg ausgerechnet. Also siebenunddreissig Kilometer am Tag. Das wäre zu schaffen.

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Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

www.hausdernatur.de - Museum Haus der Natur in Cismar an der Ostsee

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www.wale-und-delfine.de - Wale und Delfine

 

 


New York, George Washington Bridge über den Hudson River nach New Jesey

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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