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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

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21 - Dreissig Schritte bis zum Ufer - English for runaways

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Samstag, 24. Oktober 1987
Am Wochenende war nicht viel los in der verschlafenen Stadt mit den knapp fünftausend Einwohnern. Mit Mike bummelte ich ein wenig durch die Stadt und schrieb einen Brief an Lina. Und ich besuchte das Museum, mit ein paar alten Möbeln aus der Gründerzeit, ein paar Uniformen der Confederate Army und ein paar Indianerpfeilen, die ein native of Wilkes County, der verstorbene Morton Reed, dem Museum vermacht hatte. Ausser diesem alles andere als informativen Hinweis gab es nichts über die Geschichte der Native Americans aus dieser Gegend, weder vor noch nach 1777. Ob sie überhaupt überlebt hatten?
Die nette Dame im Museum war stolz auf ihren hohen ausländischen Besuch und bat mich, meinen Namen im goldenen Buch einzutragen. Bitte auch mit Adresse und Land. Und ob West oder East Germany. So viel Respekt war ich in diesem Land gar nicht gewohnt.
Mike wollte mich am Rathausplatz abholen. Das Rathaus sah so ähnlich wie ein mittelalterliches Märchenschloss aus, mit Türmchen und Bögen.
Er hatte uns einen Termin in einer kleinen Bar am Rande der Stadt besorgt, die Barbesitzerin kannte er gut, Leona. Sie konnte sehr gut kochen, heute gab es ein hiesiges Spezialgericht. Irgendwas mit Mais. Mike ass gerne dort. Ein Mädchen kam dazu, eine Freundin von Leona. Oh, darf ich vorstellen, das ist Vivian. Vivian war eine Mischung aus Schwarzen und Weissen. Das war selten. Oh, meinte Leona, ich bin auch keine Weisse. Ja, stimmt, Mike lachte. Stimmt, du bist auch keine Weisse. Na, dann bin ich mal gespannt - was bist du denn?, fragte ich sie. Cherokee Indian, meinte sie stolz, und zwar gar nicht so wenig. Oh. Naja, die Mutter meines Vaters war Indianerin, und ich glaube, sogar reinrassig, und unter den Vorfahren meiner Mutter gab es auch noch Cherokees.
Am Abend lernte ich noch Freunde von Mike kennen, Steve und Eleanor Blackmon, sehr aufgeschlossene Leute, denen man überhaupt nicht anmerkte, dass sie kurz vor dem Ruhestand standen. Sie waren in allen möglichen Clubs und Kirchengruppen aktiv. Er hatte ein Bekleidungsgeschäft in der Innenstadt. Nach Feierabend gingen wir zu ihnen nach Hause, ein schönes historisches Holzgebäude in der Alexander Avenue. Steve gab mir einen ausrangierten Schlafsack von der Army, den er längst nicht mehr brauchte.
Eleanor meinte, als ich ihnen von Vivian und Leona erzählte, oh nein, sie sei auch keine reine Weisse. Ihre Ururgrossmutter sei Cherokee-Indianerin gewesen.
- Wenn ich mich in die Sonne lege, in Florida am Strand, brauch ich keine Sonnenschutzcreme. Ja, und ich werde trotzdem immer viel schneller braun als alle anderen! That's my Indian blood!

Viele Amerikaner stellten heute mühsame Nachforschungen über ihre Vorfahren an. Die US-amerikanische Bevölkerung hatte alles, was ein zufriedenes Volk brauchte. Geld, Freiheit, Waffen für jedermann. Nur eines nicht: Wurzeln. Viele suchten sie, in der Geschichte ihrer Ahnen. Der Film Roots war eine Ausnahme. Viele Schwarzen wussten nicht, aus welchen Ländern Afrikas ihre Ahnen verschleppt worden waren. Die Weissen kamen oft nicht viel weiter, wenn sie wissen wollten, in welcher Gegend Europas ihre Vorfahren genau gelebt hatten. Als Gewinner der Klassenlotterie fühlten sich immer die, die tatsächlich nachweisen konnten, dass sie indianisches Blut in ihren Adern hatten.
Und die Cherokee unterschieden sich deutlich von anderen Indianern. Diese Nation konnte um 1800 wahrhaftig nicht als unzivilisiert und wild bezeichnet werden. Sie hatten eine blühende Kultur und eine demokratische Struktur, die auf Ideen basierte, die den weissen Amerikanern viel mehr entgegenkamen als alles, was sie von Europa kannten. Das Land der Cherokee war sogar international anerkannt. In einer Sache hatten die Cherokee sich der weissen Zivilisation allerdings noch nicht angeglichen: die Cherokee kannten das Frauenwahlrecht.
Erst 1869 begann Wyoming als erster Bundesstaat der USA, zögerlich ein Frauenwahlrecht einzuführen. Einige andere Bundesstaaten kamen in den folgenden Jahrzehnten dazu. Als Emmeline Pankhurst und die Frauenbewegung Grossbritanniens in brutalen Strassenschlachten und mit Bombenanschlägen für das Frauenwahlrecht kämpften, das sie erst mit Ende des ersten Weltkriegs erhielten, war ihnen nicht bewusst, dass sie für ein demokratisches Ideal stritten, das bei den Cherokee schon hundert Jahre vorher eine Selbstverständlichkeit war. Landesweit durften die US-Frauen erst seit 1920 wählen, siebenundzwanzig Jahre nach Neuseeland und fünfzehn Jahre später als in Finnland.

In den nächsten Tagen vertrieb ich mir die Zeit in der Stadt und besuchte auch die öffentliche Bücherei. Und hier gab es tatsächlich ein paar Bücher über die Geschichter der Indianer. Auch einige, die von indianischen Autoren geschrieben waren. Was Eleanor gesagt hatte, stimmte.
Ein Cherokee, Sequoyah, erfand 1809 sogar eine eigene Schrift mit Symbolen für alle fünfundachzig Silben, die die Sprache der Cherokee kannte. Die zuerst noch misstrauischen Cherokee-Krieger akzeptierten die einfach zu lernende Schrift zwei Jahre später und innerhalb weniger Monate konnten fast alle Cherokee lesen und schreiben. Es erschienen sogar Zeitungen. Doch kurz danach wurde Gold in Georgia entdeckt, sämtliche Verträge mit den sechzehntausend Cherokee wurden für nichtig erklärt und das Volk wurde praktisch komplett enteignet.
Kein Staat kann eine eigene Kultur, Zivilisation und Fortschritt entfalten, solange Indianer in seinen Grenzen leben, hatte US-Präsident Andrew Jackson im Removal Act von 1830 erklärt. Fünf ganze Indianervölker von Mississippi bis Florida mussten verschwinden. Es folgten die Todesmärsche, eines der dunkelsten Kapitel nordamerikanischer Geschichte. Die Cherokee wehrten sich am längsten, bis 1838. Sie waren wie die meisten US-Amerikaner Christen, hatten Kirchen in ihren Dörfern. Es half ihnen nichts. Tausende von ihnen starben auf dem grausamen Weg nach Westen, dem Trail of Tears, bis sie Oklahoma erreichten.
Von alledem stand in der offiziellen Geschichte von Washington oder Wilkes County kein Wort. Doch immerhn, in der örtlichen Bücherei gab es Bücher darüber.
Vielleicht werden die Cherokee oder die Creek eines Tages wiederkommen und ihre Länder ganz einfach zurückkaufen. Im März 1987 war den Indianern vom Obersten US-Gericht das Recht zugesprochen worden, in ihren Reservaten Geldspielerei kommerziell zu betreiben.

Ich verdiente mir bei Steve und Eleanor ein paar Dollars im Garten und Steve staunte nicht schlecht, als er mich mitten beim Unkrautrupfen dabei erwischte, wie ich für Vollrath in Cismar ein paar Schnecken sammelte. Am nächsten Tag nahm mich Mike zu einer Sitzung des Rotary Club mit. Die High Society von Washington. Sehr ehrenvoll auch hier der Empfang des ausländischen Studenten, zu dem ich inzwischen avanciert war. Mike brachte es sogar fertig, einen Termin mit der örtlichen Zeitung abzumachen, deren Reporter mich mit Mike zusammen dann vor der Bibliothek fotografierte, interviewte und einen ganzen Artikel über den ungewöhnlichen Besuch schrieb. West German student visits Wilkes... Wie alle war er sehr beeindruckt von meinen ganzen Sprachen. Portugiesisch und Italienisch dichtete er mir bei der Gelegenheit gleich auch noch an - es gab hier sowieso niemanden, der das nachprüfen könnte. Obwohl, immerhin, Mike schaffte es sogar, mich einer Näherin am Ortsrand vorzustellen, die seit Jahrzehnten hier lebte und tatsächlich noch ein paar Worte Deutsch konnte.
Bei seiner Rede vor dem Rotary Club, wo er mich vorstellte, liess Mike dann auch einfliessen, dass ich für ein paar Wochen Arbeit suchte. Im Handumdrehen hatte ich Arbeit. Red Land Motel, am Ortsausgang von Washington. Und ein paar andere Gelegenheitsarbeiten bei verschiedenen Leuten in der Stadt.

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Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

www.hausdernatur.de - Museum Haus der Natur in Cismar an der Ostsee

www.100partnerprogramme.de - Geld verdienen im Internet mit Karsten Windfelder

www.affiliate-katalog.de - Partnerprogramm-Suchmaschine

images.google.com - Bilder suchen mit Google

www.wale-und-delfine.de - Wale und Delfine

 

 


Washington, Georgia, Callaway Plantation. Altes Gutshaus einer Baumwollplantage, heute Museum.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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