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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

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Kapitel:

 

26 - Oder arbeitest du für lasía? - Nicaragua, 1988

Seite:

 

06

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Jaja, die spanische Sprache. Alles wird so geschrieben, wie es ausgesprochen wird. Im Prinzip stimmt das auch. Die Sprache ist wirklich so erfolgreich, weil sie so einfach ist. Eine Alphabetisierungskampagne besteht hierzulande tatsächlich darin, den Leuten 26 Buchstaben beizubringen, ein paar Akzentregeln und der Rest ist Übung. Eine Rechtschreibreform wäre ein Witz - es gäbe gar nichts zu reformieren. Aber die Schriftsprache ist der kastilische Dialekt - hier im fernen Nicaragua stösst der gute Wille an seine Grenzen und ein Begriff wie lasía könnte alle möglichen Bedeutungen und Schreibweisen haben.
Also los.
La ist der weibliche Artikel, silla* heisst Stuhl... La Silla heisst dieses eine Planetarium in Chile. Lazo heisst Seil, lacilla könnte Bande heissen... oder ist es eine Abkürzung? Meinte er Sida und hat das d verschluckt? - das haben sie mir in Mexico beigebracht: Sida heisst Aids.
Nein, ich krieg wirklich nicht raus, was er meinen könnte. Er schaut mich an, als ob er von mir eine Stellungnahme erwarte. "Stell dich nicht dumm", sagt sein Blick. Was hast du dazu zu sagen.
Also gut, soll ich jetzt einfach irgendeinen blöden Müll sagen? Es wär sowieso egal, was ich sage, denn das, was ich sage, hat auf den Inhalt des Gesprächs eh herzlich wenig Einfluss. Er wird mich entweder ausweisen oder in den Knast stecken, das ist klar. Beides wär okay, ich bin eigentlich zufrieden mit der Situation. Nicaragua erleben, unverfälscht, genauso wie es ist, live, und auch noch steuerfrei... ich entscheide mich dafür, keinen blöden Müll zu sagen, sondern höflich zu versuchen, herauszubekommen, was der Inhalt des leicht einseitigen Gesprächs sein mag.
"
Lasía? Wie wird denn das geschrieben?", frage ich. Bäh, sagt er natürlich nicht. Ach, du bist gemein.
Ich gebs zu, eine blöde Idee, in einem spanischsprachigen Land zu fragen, wie etwas geschrieben wird. Auf sowas kann auch nur ich kommen. Erst recht hier, wo noch vor wenigen Jahren sowieso kaum jemand lesen und schreiben konnte. Ich kann ihm ja mal einen Vortrag halten über die mindestens 12 verschiedenen Möglichkeiten, wie hier
lasía geschrieben werden kann. Oder ist Lasía ein Name, irgendein Contra-Chef? Klingt aber wenig spanisch. Oder ein Begriff aus dem Miskito, siya, vielleicht eine Organisation wie die Yatama?
Offensichtlich kann er sich keinen Reim drauf machen, warum ich "so tue", als würde ich nicht wissen, was
lasía bedeutet. Soll er mich für oberverdächtig oder für total doof halten? Auf einmal fängt er an, unsicher zu wirken. Der Elan ist raus. Er nimmt seinen Kugelschreiber in die Hand, legt ihn wieder weg. Sieht den anderen Militär an. Sieht wieder mich an.
"Was sollen wir jetzt mit dir machen? Mach mal einen Vorschlag! Wir schicken dich zurück, nach Honduras!"
"Ja, in Ordnung, einverstanden. Schicken Sie mich nach Honduras -", meine ich beruhigend, etwas gelangweilt, aber auf keinen Fall ganz gelangweilt, " - oder nach Costa Rica."
Der Trick war super. Der Trick war absolut einmalig. Ich weiss, dass ich schon öfter gut war in der letzten Zeit, aber mit dem Satz, den ich eben gebracht habe, war ich wirklich weltklasse. Zum ersten Mal hat er mir zugehört! Ich sehe ihm richtig an, dass er über das gedankliche Kunststück
Costa Rica nachdenkt.
Und mit Erfolg. Denn das mit Honduras lässt er gleich wieder fallen, ich könnte ja dort was mit den
contras zu tun gehabt haben, so undurchsichtig und verdächtig, wie ich mich hier benehme.
"Dich schicken wir nach Managua, sollen sich die mit dir rumärgern.", ich soll ein paar Tage auf das Flugzeug warten, und zwar hier, im Häuschen der
migración.
Geil. Managua.
Er setzt einen Brief auf, der sich ihm entsprechend liest. Mit Schreibmaschine. Dann gibt er ein paar Anweisungen an seine Untergebenen, wie und für wann sie das Flugzeug zu organisieren haben. Ortega sagt ihm, ich könne auch beim Pastor im Haus schlafen.
"Nein, hier, hab ich gesagt!"
Macht nichts, Ortega, war gut gemeint. Zweieinhalb Tage verbringe ich im Migrationshäuschen, eingesperrt in einem ganz kleinen Zimmer mit lauter Müll und Gerümpel drin. Klo haben sie auch nicht.
Kurze Zeit später bin ich mit Nelson, dem wachhabenden
teniente zusammen. Ein einfacher Angestellter. Mit seinen Kumpels und mit mir spricht er Englisch, Mískito nur ein paar Wörter.
"Du musst besseres Spanisch lernen, ohne Spanisch zählst du hier nichts", sagt er, und gibt mir ein spanisches Enid-Blyton-Buch zum Lesen.
Das ist Nicaraguas Atlantikküste. Eine völlig andere Geschichte als die der Pazifikküste, die von den Spaniern, übrigens halbwegs friedlich, kolonialisiert wurde. Die einfachen Leute sprechen Englisch, kein besonders gutes, denn in der Schule müssen sie Spanisch lernen. Nach der Revolution werden sie verstärkt dazu angehalten. Bis 1898 war dieses Gebiet unter Kontrolle von Engländern, zuerst als Kolonie, später als Piratenschlupfwinkel. Der grössere Ort heisst Bluefields. Die Sprache der Karibik ist Englisch. Karibisches, kein amerikanisches Englisch.
Die Engländer sollen sich auch ziemlich danebenbenommen haben: die Mískito-Indianer angehalten, ihnen Sumus als Sklaven zu verkaufen, das tragen die Sumus den Mískitos heute noch nach. Gibt aber auch Mischehen, meinte Bettina.
Die Mískitos hatten immer Kontakt zu den Engländern, nicht zu den spanischsprechenden Mestizen in den Bergen. Die englischsprachige Bevölkerung lebt an der Küste, die Mískitos weiter landeinwärts. Viele Wörter der Mískito-Sprache sind aus dem Englischen entlehnt, Wörter wie Arbeit, lernen, Schule, brauchen, wollen. Nur die allermodernsten Fremdwörter (Auto, Strasse, Satelliten) nehmen die Mískitos aus dem Spanischen.
Die Somoza-Regierung hat sich um die Region nicht gekümmert, aber die Sandinisten haben zunächst wohl nichts besseres zu tun gehabt, als den Leuten zu sagen, wer hier das Land regiert. Gut, sie regieren es, ich sehe es ja ein, aber was haben sie davon? Die einzigen, denen es hier gut geht, sind die
comandantes. Ihre Art von sozialistischer Entwicklungshilfe kam wohl nicht so gut an hier, mit spanischen Schulen und - Planwirtschaft, auch wenn Uli das bestreitet. "Die wollten einfach nur mal Rabatz machen" dürfte wohl nicht ganz das Motiv gewesen sein, warum die Yatama vor drei Jahren zu den Waffen gegriffen hat, und erfolgreich**.
Aus dem Müllkübel fische ich mir unauffällig ein auf einer Seite unbeschriebenes Blatt Papier und verstecke es... als Vorrat, wenn ich mal was schreiben will... erst viel später werde ich einmal aus Langeweile zufällig lesen, was auf der Seite mit Schreibmaschine geschrieben steht: Es ist ein Brief von Nelson an irgendeinen
comandante, er versteht nicht, warum sie ihm schon zum zweiten Mal den Lohn kürzen, seit sechs Jahren arbeite er schon für das Militär, müsse ausserdienstlich jobben und wisse nicht, wie er seine sechs Kinder weiter ernähren soll.
Manche Mískitos wollen gerne mal nach Honduras, Freunde oder Verwandte dort besuchen, vielleicht mal ein paar Wochen dableiben. Einen Reisepass hier im Häuschen der
migración zu kaufen, kostet aber tausendeinhundert Córdobas (über hundert Dollar). Für die meisten Leute an der Atlantikküste sei das nicht erschwinglich, sagt Uli. Was machen sie? Sie gehen über die Grenze, melden sich als Flüchtling in irgendeinem Lager, und gehen mit repatriación*** wieder zurück. Ein Flüchtling in Honduras sagte mir, es gebe Spezialisten, die das schon dreimal gemacht haben.
Und was hiess jetzt
lasía? Ich lag völlig daneben. Erst viel später werde ich rauskriegen, dass in der spanischen Sprache alle ausländischen Abkürzungen so ausgesprochen werden, als wären es spanische Wörter - gemeint war der amerikanische Geheimdienst CIA. Und der ist hier ausserdem weiblich.

* Das ll wird in Honduras und Nicaragua kaum ausgesprochen, oder nur als schwaches deutsches j. Silla und sía hört sich dort gleich an.
** Das mit dem Erfolg war so eine Sache. Nach 1990 hat YATAMA die Waffen abgegeben, doch ihre Hoffnung auf Autonomie erfüllte sich nicht. Zu den Kommunalwahlen 2000 wurde die Mískito-Partei nicht einmal zugelassen, was Kämpfe und massiven (85 %) Wahlboykott zur Folge hatte.
*** Flüchtlingsrückführung.

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Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

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Tagebuch in Grösse A6 mit superkleiner Schrift, in das ich in dieser Zeit vor allem meine Briefe nach Deutschland abschrieb (hier kursiv). Der Nicaragua-Text wurde in Kolumbien geschrieben, etliche tote Moskitos zieren das Werk.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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