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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

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27 - Fussball und Moskitos - zu Fuss nach Südamerika

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30. Mai 1988
Am Morgen verschwanden die Moskitos. Überall hatte ich Stiche. Gesicht, Hals und Arme waren besonders zerstochen. Ich badete nochmal im Bach und zählte die Stiche an den Armen. Einhundertfünfzig.
Obwohl kein Mensch da war, lag ein duri am Ufer, angebunden. Auf Spanisch pipante, aber ich war immer noch in der Mískito-Sprache zuhause. Ein kleiner Fluss-Einbaum. Mit Paddel. Na gut. Ich wusste, der nächste grössere Ort wäre Bijao, und der musste irgendwo flussabwärts liegen. Von dort musste ich dann weiter ins Innenland Kolumbiens, dann nach Turbo an die Karibikküste und mir dort einen Einreisestempel geben lassen. Es blieb still. Niemand kam.
Ich entschied mich, das duri zu nehmen und bis zum nächsten bewohnten Ort zu fahren. Danach konnte ich wieder hochfahren, das duri wieder hier abgeben und ohne Rucksack dann den Bach zu Fuss heruntergehen.
Ich legte Rucksack und Schlafsack in das duri, band es los, nahm das Paddel und eine Stange und fuhr den langsam fliessenden Bach herunter. Die Stille war himmlisch. Nur einmal bekam ich ein schlechtes Gewissen, als ich bei einer Art Stromschnelle mit dem duri auf einen Stein aufschlug. Das durfte einem Profi nicht passieren, davon wurden solche Boote nicht besser.

Aber es ging gut, der Bach floss ruhig und anständig, war nie zu tief und irgendwann sah ich am rechten Ufer eine Art Pferdetränke, mit Spuren, hier mussten also Leute wohnen. Ab hier wurde der Bach breiter, wurde in wenigen hundert Metern zum Fluss. Ich steuerte das Ufer an, band das duri fest und wollte gerade den Hang hochgehen, die Siedlung zu suchen. In diesem Moment hörte ich Stimmen.
Ich hörte genau hin. Sie kamen von mayara* und waren viel näher als mir lieb war. Es war zu spät - ich schaffte es nicht mehr den Hang hoch. Schon kamen sie um die Ecke. Sie hatten ein grösseres duri, eines für vier Personen, und bemerkten mich sofort. Tja, leider Pech gehabt. Es waren die Leute der Forstverwaltung, die nach Cristales fuhren. Sie waren zu dritt und sprachen Spanisch. Natürlich waren sie wenig erbaut davon, dass ich ihnen ihr duri geklaut hatte.
Nein, ich wollte nur den Rucksack abladen und dann wieder hochfahren, versuchte ich ihnen zu erklären, ich wollte nicht weiter flussabwärts fahren. Sie unterhielten sich untereinander.
- Was machst du hier?
- Er wollte damit abhauen.
- Das wär ja wohl überhaupt nicht aufgefallen, wenn ich hier als gringo alleine mit einem duri -äh- pipante den Fluss runtergefahren wäre!
- Was wolltest du damit machen?
- Ich wolle das duri -äh- das pipante wieder hochfahren, oben in Cristales ist niemand gewesen, ich wollte hier nur mein Gepäck-
- Wer hat dir gesagt, dass du das piragua nehmen darfst?
- Das was?
- Das piragua. Sag nicht, du hast hier kein piragua gesehen.
- Das hier?
Kurzer Moment Heiterkeit. Sie mussten den Eindruck haben, ich wollte so tun als wüsste ich nicht, wo auf einmal das duri herkam.
- Ich denk das heisst pipante!
- Nein, das heisst piragua.
Könnt ihr euch nicht mal einigen? Ich zeigte ihnen die Stange zum staken, die immerhin dafür sprach, dass ich mit dem duri wieder flussaufwärts wollte. Na gut, den Vorwurf des Diebstahls liessen sie vorläufig mal fallen. Vor wem wollten sie auch glaubhaft machen, dass ein gringo einen Einbaum klaute? Aber ich könnte zu Fuss nicht wieder nach unten, es gebe keinen Weg entlang des Baches. Ja und?, meinte ich, der Bach war ja nicht tief und ich könnte durchaus auch im Bach laufen, wenn ich kein Gepäck hätte. Im Prinzip sogar auch mit Gepäck. Ich ärgerte mich, denn der Bach war an keiner Stelle wirklich tief gewesen.
Nein, das sei viel zu gefährlich, den Bach zu Fuss herunterzugehen, der habe reissende Stromschnellen. Wirklich unglaublich gefährliche riesige Stromschnellen und haushohe Wasserfälle, entgegnete ich, ich bin doch eben gerade dort heruntergefahren. Nein, das könnten sie nicht zulassen, hier sei ausserdem keine Siedlung und sie müssten mich erst noch zu einer Siedlung bringen. Sie hatten hier die Verantwortung für die Leute, die aus Paya kamen, und sie mussten sie sicher in die nächste Siedlung bringen.
Schade, hier war wohl nicht mehr Panamá. Hier schienen rauhere Sitten zu herrschen. Auch in den Dörfern in Panamá und in den Büchern war das schon angedeutet worden. Ausserdem hatte ich ihnen ihr dummes pipante geklaut. Zumindest hatten sie objektiv gesehen das gute Recht, es für den Moment so aufzufassen. Oder ihr piragua oder wie das bescheuerte Ding hier oder zwanzig Kilometer weiter auch immer heissen mochte. Ich ärgerte mich kolossal, dass ich erst so spät aufgebrochen war. Mindestens eine ganze Stunde hatte ich völlig umsonst vertrödelt.
Ich sollte auf alle Fälle mit ihnen mitkommen, damit sie sehen konnten, ob ich nicht noch andere Sachen da oben geklaut hatte oder eingebrochen sei. Na gut, ich könne mit ihnen mitkommen und das Boot wieder hochbringen, meinte ich, aber ich könnte danach alleine wieder den Bach runtergehen. Ausgeschlossen, meinten sie, sie müssten mich anschliessend persönlich wieder runterbringen, Bijao sei noch weit.
Okay, meinte ich, nächstes Thema. Was würde mich das kosten? Wenn, dann bezahlte ich im voraus. Zehn Dollar. Ich sah sofort, dass ich gut gewesen war mit dieser Frage. Hinterher hätten sie mindestens das Doppelte verlangt. Und ich hätte es zahlen müssen. Einer war bewaffnet. Ich hatte keine kolumbianischen Pesos und musste hier mit Dollars argumentieren. Zehn Dollar war billiger als die horrenden Preise für ähnliche Leistungen in Paya und ich hatte sofort den Verdacht, dass der Dollar hier mehr Wert war als in Panamá. Zwei Dollar, meinte ich, nicht mehr, und ich würde zu Fuss den Bach runtergehen. Immerhin, ich schaffte es, sie auf fünf Dollar herunterzuhandeln.
Sie liessen es nicht zu, dass ich mit dem duri alleine wieder nach Cristales fuhr. Sie banden es hinten an ihr Boot fest, ich musste bei ihnen einsteigen und nach Cristales mitfahren. Na gut.
Zum Glück konnte ich Spanisch. Es musste sie beeindruckt haben, dass ich die Sprache fliessend sprach. Die meisten Fremden, die hier durchkamen, schienen es nicht oder nur sehr unsicher zu können. Sie schienen es gewohnt zu sein, dass sie nicht verstanden wurden, wenn sie sich untereinander unterhielten. Zumindest hier waren sie bei mir an der falschen Adresse, denn beim ersten Versuch war ich sofort dazwischengegangen. Auf keinen Fall durften sie mitkriegen, dass ich von dem, was sie sprachen, durchaus nicht alles verstand.
Sie konnten immer noch Kriminelle sein, die nur vorgaben, von der Forstverwaltung zu sein, und mich in Wirklichkeit ungestört komplett ausrauben wollten. Verdammte Scheisse, warum war ich heute früh nicht früher losgefahren? Wegen diesen Scheiss-Moskitos. Ich musste vorsichtig sein. Hoffentlich vermuteten sie wenigstens, dass ich bewaffnet war. Ich setzte mir einen bestimmten Blick auf. Den hatte ich inzwischen gelernt, seit North Crossett, Arkansas. Ich musste schwer aufpassen, dass ich mir diesen Blick nicht auf die Dauer angewöhnte. Er machte mich unsympatisch. Das sollte er jetzt ja auch.
In Cristales schlossen sie die Räume der Forstverwaltung auf, prüften kurz nach, ob ich nicht Remmi-Demmi gemacht hatte, waren erleichtert, wurden etwas freundlicher und fuhren eine Stunde später mit mir wieder den Bach herunter. Wenige hundert Meter mayara von der Stelle, wo ich mit dem duri gelandet war, liessen sie mich raus. Miese Typen.
Ich war erleichtert, sie los zu sein, stieg das Flussufer hoch und natürlich gab es hier genausowenig eine Siedlung wie an der Stelle, wo ich vorhin gelandet war. Es waren einige Felder mit Mais und Bohnen, durchzogen von Pfaden. Ich ging sie entlang, sie gingen in einiger Entfernung parallel zum Fluss, und bald stiess ich auf eine Siedlung. Ich fragte die Leute, ob das hier Bijao war. Bijao? Nein, Cacarica. Bijao sei noch zwei oder drei Stunden weiter flussabwärts.
Es war bekannt, dass Kolumbien hochkriminell war, aber dass die offiziellen Angestellten der Forstverwaltung, die hier stationiert waren, um den Urwald zu schützen, ihre Position ausnützten, um hier die Wanderer, die von Paya kamen, was ausdrücklich erlaubt war, derart auszunehmen, das war kaum zu glauben. Fünf Dollar war ziemlich viel Geld in Kolumbien, und die Leute hier fanden es eine Frechheit. Die Typen waren also beides gewesen. Sie waren Angestellte der Forstverwaltung, und gleichzeitig waren sie Kriminelle.

* Miskito mayara = flussabwärts.

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Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

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Kleiner Urwaldfluss, etwa so breit wie der Río Cacarica bei Cristales

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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