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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

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28 - Schuster in Kolumbien - Bogotá

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28
Schuster in Kolumbien - Bogotá

8. Juni 1988
Bogotá. Pablo setzte mich an einer Hauptverkehrsader in der Nähe des Zentrums ab. Ich hatte mir schon die Adresse herausgesucht, die Dagoberto mir in der allerletzten Minute im Gefängnis von Managua noch mit Bleistift auf eine kleine abgerissene Ecke der Barricada geschrieben hatte. Mit Telefonnummer. Stadtviertel Libertador. Pablo hatte keine Ahnung, wo in Bogotá das sein könnte. Ich fand eine Telefonzelle.

Eine Frau nahm ab. So, wie sollte ich mich jetzt vorstellen?
- Kennen Sie einen Dagoberto Gallo Ruiz?
- Den costeño? Ja, den kennen wir-
Ich erzählte ihm, dass ich Deutscher sei und mit ihm zusammen in Nicaragua im Abschiebeknast gesessen habe. Ja, sie wusste, dass er in Nicaragua verhaftet worden war. Natürlich war sie brennend daran interessiert, was er mir alles gesagt habe. Und wie es ihm dort ging, ob er gut zu Essen bekam. Sie wollte einen ganzen Roman hören und meinte, als ich ihr sagte, dass ich im Zentrum von Bogotá an einer Telefonzelle stand, dass ich auch zu ihnen kommen und alles erzählen könnte.
- Ja, kann ich, die Adresse hat er mir auch gegeben.
- Dann komm doch einfach mal mit dem Taxi hier vorbei.
- Okay, dann komm ich jetzt gleich vorbei. Para que platicamos.
Para que hablamos
, verbesserte sie mich. Jaja, die Wörterbücher waren auch nicht mehr das, was sie mal waren...

Calle 31B Nummer 24-07 Süd, Stadtviertel Libertador. Im Süden also, meinte der Taxifahrer, der im Stadtviertel Libertador lange herumkurvte und die Adresse trotzdem nicht fand. Der Süden war ärmer als der Norden der Stadt, und das barrio Libertador, in dem die Familie wohnte, war zwar kein Elendsviertel, aber es gab auch reichere barrios.
Ich suchte schliesslich zu Fuss weiter und fand das Haus. Die Familie begrüsste mich freudig. Sie hatten eine Schuhmanufaktur, stellten mit sechs oder acht Arbeitern Herrenschuhe her. Der costeño, so nannten sie Dagoberto, weil er von der Küste kam, habe hier nicht gewohnt. Seine Familie wohnte ein paar cuadras weiter. Aber er war ein guter Freund von ihnen und habe auch in der Schuhwerkstatt gearbeitet. Allerdings, so deuteten sie lächelnd an, seine Leistungen bei der Arbeit waren nicht ganz so überzeugend wie seine abendlichen Kneipentouren mit den Söhnen des Hauses...
Gleich am ersten Tag richteten sie mir ein Bett in einem eigenen Zimmer her. Sie zeigten mir ihre Schuhwerkstatt und ich lernte, Schuhe zu machen. Es gab zwei Teilwerkstätten. Verarbeitung des Obermaterials, wo ich arbeitete, und Aufmontierung und Besohlung. Das war schwieriger. Sie begannen, mich Schuster zu nennen, weil ich mit meinen blonden Haaren wie der Fussballer Bernd Schuster aussah. Sie wussten gar nicht, was der Name auf Spanisch bedeutete.
Ich schlief morgens lange aus und arbeitete dafür bis spät in die Nacht, ging oft erst um eins oder zwei ins Bett. Am Anfang protestierten sie noch, aber es hatte einen grossen Vorteil: ich konnte nachts an die Nähmaschinen, die dann frei waren. Oft half ich den Arbeitern oder Arbeiterinnen bei ihren tareas. Tarea war Akkordarbeit. Meine besondere Spezialität war, aus den Lederresten, die beim Schnitt der Schuhmuster abfielen, kleine Taschen zu nähen. Später nähte ich mir auf die Weise auch einen Rucksack zusammen. Bogotá war eine lange Zeit und am Ende konnte ich endlich perfekt Spanisch.

Ich bekam Post aus Deutschland. Zum ersten Mal seit fast einem Jahr erfuhr ich Neues aus Neustadt. Norbert schrieb mir alles, was sich inzwischen ereignet hatte. Manfred war nach Mannheim gegangen und hatte sich mit Norbert überworfen. Matthias machte Abitur in Eutin, Norbert Zivildienst in Neustadt und war mit Marion zusammen, Axels Lehrerin. Es dauerte glatte zwei Monate, bis ich endlich begriffen hatte, wen er meinte, als er mir von Marion geschrieben hatte.
Die Werkstatt fertigte die Herrenschuhe nach eigenen Schnittmustern an, die der Ecuadorianer Jarrín entwarf. Wir nannten uns respektvoll paisano - Landsmann. Zunächst fertigte er die Formmuster (forros) in Karton an, damit sie hinterher von Mario auf Leder aufgehalten und die Lederteile mit selbst angefertigten scharfen Messern, die aus abgebrochenen Sägeblättern hergestellt wurden, ausgeschnitten werden konnten. Diese gingen dann zu Doña Ana und den anderen an die Nähmaschinen, die daraus das Obermaterial der Schuhe zusammennähten. Nachdem sie montiert und mit Sohlen versehen waren, kamen die Schuhe schliesslich in die Schuhgeschäfte im Zentrum von Bogotá in den Verkauf.
Jarrín brauchte, um die Muster entwerfen zu können, lediglich schöne bunte Fotos aus Zeitschriften, möglichst aus Italien und möglichst aktuell. Ich bat Norbert, aus irgendwelchen aktuellen Katalogen die Schuh-Seiten auszuschneiden und uns zu schicken. Wenige Tage später schickte M-K lauter Kataloge von Neckermann - ich war überrascht, wie schnell das ging - und sie waren begeistert. Jarrín konnte etliche Modelle nachmachen.
Hinterher kam raus, dass Norbert in den Dolomiten gewesen war und M-K in Neustadt, wo sie einfach Norberts Briefe geöffnet und so gründlich im Freundeskreis verteilt hatte, dass Norbert sie erst Monate später völlig zufällig zu lesen bekam. Norbert und ich protestierten, aber M-K setzte noch einen drauf und meinte in einem ihrer fünf Briefe, die sie in kurzer Zeit nach Bogotá schickte, das Briefgeheimnis sei von Männern erfunden worden und Frauen würden in dieser Beziehung grundsätzlich anders denken.

Die Briefe ans Forum wollte sie nehmen und versuchen, sie beim Stern oder einer anderen Illustrierten anzubringen. Ich fasste mich an den Kopf und schrieb ihr umgehend zurück. Der Stern konnte meinetwegen Hitler-Tagebücher veröffentlichen, aber nicht meine Briefe ans Forum. Die Stimmung war ziemlich hinüber. Sie erwartete natürlich, dass ich ihr für ihr Engagement Respekt und Dankbarkeit zeigte.
Ich machte für M-K noch ein paar Schuhe, doch ich nahm mir vor, ihr in Zukunft nicht noch einmal meine Adresse zu schreiben. Das Problem war die unterschiedliche Denkweise, die völlig egozentrische Gedankenwelt, die sie einem unweigerlich überstülpte. Ich war losgezogen, um etwas dazuzulernen, mehr vom Leben zu verstehen. Schon bei Torben hatten wir beobachtet, dass er völlig auf seine Mutter fixiert war und sich bei einer mehrwöchigen Trennung von ihr erst langsam daraus löste und seine sehr fragwürdigen Verhaltensweisen ablegte. Kaum war sie wieder da, fiel er zurück in die alten Muster.
Offenbar hatte M-K auf mich einen ähnlichen Einfluss. Ihre Gedankenwelt empfand ich immer mehr als einen Rückschlag in eine vergangene Zeit. Eine in sich abgeschlossene und auch ziemlich gestörte Gedankenwelt, in der neue Ideen keinen Platz hatten. Ihre Denkweise stellte aus irgendeinem Grund eine Gefahr für mich da, und ich nahm mir vor, sie in Zukunft zu vermeiden und am besten ganz zu vergessen.

Bei unserem Vater bestand diese Gefahr nicht. Norbert schrieb mir von einem frustrierenden Gespräch, wo er ihm von mir erzählt hatte. Unser Vater hatte alles andere als begeistert reagiert, hatte sich mit ihm über verschiedene Lebensweisen auseinandergesetzt, wobei er auf keine bessere Idee kam als Norbert vorzuwerfen, er würde die Welt verbessern wollen und die Lebensweise seines Vaters zutiefst ablehnen. Dabei kippte er einen Weinbrand nach dem anderen weg, zum Schluß hab ich ihn sitzen lassen und so sitzt er jetzt auch noch. Ich denke, das Spiel ist jetzt an ihm, entweder er blickts oder eben nicht. Vielleicht braucht er ja nur Zeit.
Norbert hatte lange die Hoffnung behalten, wenigstens unser Vater könnte seine Söhne einmal verstehen oder wenigstens ansatzweise reflektieren, was genau es gewesen sein könnte, das er in seinem Leben falsch gemacht hatte. Doch je mehr Zeit verging, desto weniger war es Norbert möglich, sich mit ihm darüber zu unterhalten.

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Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

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Bogotá, die Hauptstadt Kolumbiens in den Anden. Die Temperatur beträgt immer etwa 18 Grad. Die Stadt liegt in einer Hochebene, umrahmt von hohen Bergen.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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