Schlüsselwörter dieser Seite:     Ecuador 1988 Mancheno Missionare katholische Kirche Schulausbildung Indianer Quichua

 

 

 

Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

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Kapitel:

 

29 - Ich bin halt so ein bisschen auf der Suche - Quichua in Ecuador

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03

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Eigentlich war es nur ein einzelnes Haus. Auf einer alten, verlassenen Bahnstation stand ein Ortsschild: Mancheno. Die Angabe, wieviele Meter über dem Meeresspiegel, war verblichen*.
- Ruh dich erstmal aus, du musst müde sein, wenn du schon von Riobamba gelaufen kommst. Du kannst hier gerne ein paar Tage bleiben. Das Wetter ist viel zu schlecht zum Weitergehen. Warte ein paar Tage oder eine Woche, bis das Wetter besser ist, und dann kannst du weiter.
Aus den paar Tagen sollten über zwei Monate werden. Manuel Naula lebte mit seiner Frau und vier Kindern in dem grossen Haus an der Strasse. Er war Lehrer im Dorf, das ein paar Kilometer weiter in Richtung der östlichen Andenkette lag.

Die Leute aus dem Dorf versuchten einmal, mir ein bisschen über Manuel aus einer leicht anderen Perspektive zu erzählen, ein Hauch von Dorftratsch.
Manuel hatte es von seinen drei Brüdern am wenigsten weit gebracht, er war nur Dorflehrer. Und dass seine zwei ältesten Töchter nicht von ihm sein konnten, weil sie so gross und hellhäutig waren, gab auch Anlass zu Spekulationen, vor über zehn Jahren waren nordamerikanische Missionare im Dorf gewesen. Doch Manuel schien es nicht weiter zu kümmern, wenn so über ihn gesprochen wurde. Vielleicht hatte er es nicht nötig? Fast schien es, das Geschwätz machte ihn sogar ein wenig stolz. Er stellte mich seinem Vater vor. Der über achtzig Jahre alte Mann lebte in einem einfachen Haus und war heute ein angesehener Herr.
Das war nicht immer so gewesen. Sie erzählten mir ihre Geschichte. Und ich stellte bald fest, diese Geschichte war ganz nebenbei Teil der Geschichte dieses Landes.
Ecuador.
Denn der alte Herr Naula war einer der ersten im Dorf gewesen, der, damals, vor über dreissig Jahren, als die ersten evangelischen Missionare aus Nordamerika hier angekommen waren, den protestantischen Glauben angenommen hatte. Bis dahin war das ganze Dorf katholisch gewesen und die sonntäglichen Gottesdienste waren streng in Spanisch abgehalten worden - einer Sprache, die hier damals niemand verstand. Die Missionare hatten ihnen zum ersten Mal eine Bibel gezeigt, die in Quichua geschrieben war, und fingen an, den Bauern von einem Jesús von Nazaré zu erzählen. Geschichten einfacher Leute mit Eseln und Schafen, aus dem Leben gegriffen. Die Indianer waren beeindruckt.
Aber die katholische Kirche sah ihre Felle davonschwimmen und reagierte schnell und sehr direkt. Der Bischof stachelte die gesamte Dorfbevölkerung gegen die Missionare auf, und nur mit Glück schafften es die Amerikaner, aus dem Dorf zu fliehen und der Lynchjustiz zu entgehen. Viele andere evangelische Missionare mussten damals für ihren Mut mit dem Leben bezahlen.
Manuels Vater war der einzige, der sich nicht beeindrucken liess, und stellte sich heimlich gegen das Dorf. Autodidaktisch brachte er sich Lesen und Schreiben bei. Heimlich lasen sie die Bibel in Quichua, die ihnen die Amerikaner dagelassen hatten. Sie stellten fest, sie mussten noch viel besser Lesen lernen, wenn sie im Leben weiterkommen wollten, und dass der Schlüssel zu einem besseren Leben in der Bildung lag. Ihnen war in diesen Jahren überhaupt nicht klar, dass sie als Indianer gar keine Möglichkeit zu einer höheren Bildung hatten. Sie waren der Meinung, sie hatten die bestehenden Möglichkeiten zu einer Ausbildung bisher einfach nur nie wahrgenommen, weil sie sich nie dafür interessiert hatten. In dieser Einschätzung sollte Herr Naula sich täuschen.
Er fasste den festen Willen, dass alle seine vier Söhne in die Schule gehen sollten. Alles Geld, das er verdiente, investierte er in die Schulausbildung seiner Söhne. Er arbeitete härter als alle anderen im Dorf und blieb dennoch immer ein armer Mann. Niemand im Dorf verstand diesen ungewöhnlichen Familienvater, der längst hätte reich sein können, der sich aber mit den Jahren immer mehr in seiner ungewöhnlichen Ausbildungsidee aufzureiben schien.
Als sie die Grundschule absolviert hatten, schickte er seine Söhne in die Sekundarschule. Guamote, die nächste Kleinstadt, war weit. Die Indianerkinder mussten täglich zwei Stunden mit dem Pferd hin und zwei Stunden wieder zurück. Bei jedem Wetter. Ein paar Jahrzehnte später wären die Töchter auch mit dabei gewesen... aber so weit war Ecuador in dieser Zeit noch nicht. Ecuador fing viel kleiner an. Herr Naula konnte sich nicht vorstellen, wie winzig klein Ecuador in diesen Jahren anfing.
Er bekam es bald zu spüren. Die katholische Kirche, aus deren Griff sich das Land langsam lösen musste, hatte absolut kein Interesse daran, dass Indianer lesen, rechnen oder gar schreiben konnten.
Naulas erzählten mir ein wenig davon, gegen was für schier undurchdringliche Wände von Vorurteilen ihr Vater sich immer wieder in zäher und geduldiger Manier durchsetzen musste, wenn seine Söhne sich auch nur zu einer Prüfung oder eine Klasse weiter auf die nächsthöhere Schule anmelden wollten. Es war alles andere als eine Selbstverständlichkeit, dass höhere Schulen Indianer aufnahmen, wenn sie nicht vom Staat dazu gezwungen wurden. Im Gegenteil. Jede Bildungsinstitution bangte um ihren Ruf, wenn sie Indianerkinder aufnahm und versuchte eine Zulassung von Indianern mit allen erdenklichen Mitteln zu verhindern. Jeder kleine Schritt musste erkämpft werden. Nichts gab es geschenkt. Doch Vater Naula gab nicht auf und gewann einen aufreibenden Streitfall nach dem anderen.
Und seine Mühe hatte sich am Ende gelohnt: sein ältester Sohn Juan war der erste Indianer des ganzen Landes, der an der Universität von Quito ein Studium erfolgreich abschloss. Dr. Juan Naula, heute Arzt in Quito, war der erste indianische Medizinabsolvent an dieser Universität. Die übrigens 1586 gegründet worden war, seit 1693 hatte sie eine medizinische Fakultät.
Nun zollten auch die Dorfbewohner stillen Respekt vor dem Vater der Familie Naula, auch wenn viele nie verstanden, wie sich ein Mann nur das ganze Leben so aufreiben konnte. Andere im Dorf konvertierten zum evangelischen Glauben und wandten sich von der katholischen Kirche ab, auch wenn diese nun ihrerseits begann, Gottesdienste in Quichua abzuhalten.
Manuel war in einer Familie grossgeworden, über die im Dorf immer abschätzig gespochen worden war, und die es dennoch weiter gebracht hatte als alle anderen. Es war Teil des Stolzes dieser Familie, dass die Dorfgemeinschaft über sie tratschte.

* Etwa 3200 m.

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Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

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Erloschener Vulkan Chimborazo, höchster Berg Ecuadors und mit 6310 m der Punkt der Erde, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Blick von Mancheno, also von Süden, 1988. In der Bildmitte die Panamericana.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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