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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

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31 - Tarea in Oruro - Arbeit auf dem Altiplano

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Tarea in Oruro - Arbeit auf dem Altiplano


Brief Forum 14 (Januar 1989)

Aber die Stadt ist wesentlich grösser als ich dachte - zwei Stunden später und ich bin immer noch nicht draussen.
"
Buenas tardes", frage ich ein älteres Ehepaar, "ist das hier der Weg nach Pisiga?"
"Pisiga? Ach so, ja, nach Chile, ja, das ist die Strasse." - Na endlich hab ich diese dumme Strasse gefunden, wurde aber auch Zeit.
"Du willst nach Chile?"
"Ja, will ich, ist die Strasse befahren?"
"Ja, da fahren Busse, aber die fahren immer morgens ab, jetzt um diese Zeit fährt kein Bus mehr."
"Na, es muss ja nicht unbedingt der Bus sein. Ich mein, ob vielleicht ab und zu ein paar Lkws vorbeikommen?"
Ja, es kämen zwar welche vorbei, aber die würden nicht anhalten.
"Wenn sie mich nicht mitnehmen, dann geh ich eben zu Fuss."
Die Frau: "Zu Fuss? Aber es ist doch schon spät, wo willst du da in der Pampa übernachten? Heute nacht wird es bestimmt wieder regnen."
Auch er ist pessimistisch.
"Besser du verbringst die Nacht hier in Oruro, und morgen früh, vom Walter-Khon-Platz, da fahren die Busse ab." - Was will ich denn im Bus?
"Ich glaube, es ist besser, ich geh zu Fuss. Vielleicht nimmt mich ja doch ein Lkw mit."
Dass der Bus teuer sei, setze ich hinzu. "Und ich kann ja nicht irgendwo arbeiten und mir das Geld verdienen."
"Nun ja, wer nich arbeitet, soll auch nicht essen. So steht es geschrieben."
"Gut, aber von der Arbeitslosenrate in Bolivien steht da nichts dabei. Oder kann man hier etwa arbeiten, wenn man will?"
"Wenn man will, ja -"
Sie erzählen von einem Chilenen, der wohl auch nicht sonderlich viel Geld hatte, der zwei Wochen hier in Oruro gearbeitet hatte, um sich das Geld für die Busfahrt zu verdienen.
"Ja wie, heisst das, es gibt hier Arbeit?"
"Ja, die bauen hier die Kanalisation, Gräben ausheben, das ist aber harte Arbeit..."
"Und das geht, einfach eine Woche da mitzuarbeiten?"
"Ja, oder zwei... wenn die einverstanden sind. Schwerarbeit ist das aber, würdest du so etwas machen wollen?"
"Mit Spitzhacke und Schaufel?"
"Ja."
"Hm, in Mexico habe ich das auch schonmal gemacht... warum eigentlich nicht..."
"Heute ist Weihnachtssonntag, da arbeiten die nicht, morgen auch nicht, du müsstest also bis zum Dienstag warten... du kennst natürlich niemand hier in dieser Stadt?"
"Nein, ich komme gerade vom Titicaca-See. Ich müsste ja wo übernachten..."
Schon wieder sehe ich mich vor einem gewissen Problem, das mir langsam bekannt vorkommt und das mir auch ein wenig unangenehm ist. Übernachten, Weihnachten, Grossstadt, Bolivien. Doch das Problem löst sich in dieser Stadt viel schneller als ich denke.
"Du gehst hier zwei Blocks weiter, links rein, ein Haus mit der Nummer vierunddreissig. Sag denen, du bist ein Freund von Victor Felípez. Da kannst du bleiben, das ist kein Problem."
Kein Problem.
Victor hat zwölf Kinder, zwischen sechs und dreiunddreissig Jahren, acht davon wohnen im Haus. Darunter Hugo, der manchmal auch beim Gräben ausheben mitarbeitet. Es ist wohl eines der ärmeren Stadtviertel von Oruro - es gibt zwar fliessend kalt Wasser und Strom, aber was fehlt, ist Abwasser. Es gibt also kein Klo im Viertel. Die Strassen sind nicht befestigt, und bei Regen verwandeln sie sich in sowas wie Schlammpisten. Aber trotz des Geldmangels sind die Leute alle aufgeschlossen und fröhlich, die Atmosphäre ist auch hier wirklich ganz anders als in vielen Gegenden in Peru.

Dienstag. Hugo geht mit mir zu den Arbeitern, zwei Blocks weiter. Ein paar Worte werden mit dem Chef gewechselt - alles klar, mitarbeiten willst du, aber immer doch, kein Problem. Etwa fünfzehn Leute sind es, Hugo selbst hat diese Woche keine Lust.
Ein bisschen erstaunt sind sie, als sie merken, dass ich gut Spanisch spreche. Haha, Leute, ihr wisst ja gar nicht, dass ich das, was ihr auf Kechua sagt, auch verstehe. Als sie sehen, dass ich ihre Indianersprache auch kann, sind sie völlig überrascht. Aber sie haben natürlich nichts Schlechtes gesagt, als sie sich über mich unterhalten haben.
Lección 1, wie in Mexico also: "Ziehen Sie einen Graben. Unbeirrt und kühn entschlossen..." Aber siebzig Zentimeter breit, nicht fünfzig wie in Mexico. Ausserdem viel tiefer, teilweise bis zwei Meter. In Mexico hatte ich das eine Woche mitgemacht, hier werden es dafür zwei Wochen sein.
Lección 2: Arbeitszeiten. In Mexico hatten sie die Pausen von der bezahlten Arbeitszeit abgezogen, 7-17 Uhr, Samstag nur bis zwölf, machte etwa fünfundvierzig Stunden in der Woche. Hier in Bolivien gibt es ausser eine Stunde am Mittag gar keine Pausen, gearbeitet wird von 8-17 Uhr, samstags genauso, macht achtundvierzig Stunden in der Woche. Obwohl, sie machen es so, dass sie täglich eine Stunde mehr arbeiten (8-18 Uhr), dafür haben sie am Samstag nachmittag dann frei.
Lección 3: Akuli. Keiner hält diese harte Arbeit vier Stunden hintereinander ohne eine Pause durch - also wird eben eine bezahlte Pause gemacht, eine um zehn und eine um vier, etwa fünfzehn Minuten. Je nachdem, wie hart die Arbeit ist, oder eine halbe Stunde. Akuli ist Kechua und heisst soviel wie "Kau-Zeit". Das kommt daher, weil sie früher in der Pause immer Koka-Blätter gekaut haben. Muss früher weit verbreitet gewesen sein.
Lección 4: Tarea. Wörtlich übersetzt heisst das etwa "Aufgabe, Arbeitspensum". Das ist mies, wenn das kommt. Das gabs in Mexico nicht: Bezahlung nach Leistung, nicht wie sonst nach Arbeitszeit. Am zweiten Tag werden also ein paar Linien auf die nächste Strasse gezogen, und jeder bekommt ein drei Meter fünfzig langes Stück - und soll dann das Stück Graben ausheben. 1,30 Meter tief. Die Arbeit gilt für einen Tag. Wer fertig ist, kann also heimgehen. Oder aber, und das machen Solís und die anderen Strongies, gleich noch eine tarea machen - das macht dann also zwei Tageslöhne.
Wer es aber nicht schafft, muss am nächsten Tag noch an der alten tarea weitermachen und bekommt also für den nächsten Tag keinen Lohn. Das Gemeine bei der Sache ist, dass die
tarea-Abschnitte nicht alle gleich schwer sind, weil der Boden unterschiedlich ist, und nur Solís und solche Spezialisten, die schon länger dabei sind, sehen, wo leichter Sandboden drunter ist, und suchen sich gezielt diese Stücke aus. Bei Sandboden muss man nicht mit der Spitzhacke erst alles lockermachen, da kann man einfach alles mit der Schaufel rausnehmen, das ist wesentlich einfacher. Zum Glück gibt es diese tareas nur etwa einmal in der Woche.
Blasen an den Händen, wie in Mexico, habe ich hier nicht, weil ich hier von Anfang an mit Taschentüchern arbeite. Trotzdem bin ich am Mittwoch total fertig und froh, dass Hugo kommt und mir den Rest der
tarea macht. Ab einem Meter Tiefe steht Wasser, das ist dann besonders toll.
Bezahlt werden wir aus La Paz, vom Sozialministerium, weil es sich um ein Sozialprogramm handelt. Die härtesten Arbeiter sind hier jetzt schon über ein Jahr dabei. Es sind ehemalige Minenarbeiter, die entlassen wurden, als die Minen dichtgemacht wurden, unter der neuen Regierung. Da hatten sie ihnen diese Alternative angeboten. In den Minen hatten sie etwa das Doppelte verdient. Angeblich liegt die Arbeitslosigkeit in Bolivien bei elfeinhalb Prozent.
Lohn: sieben Bolivianos Tageslohn. Macht für mich also fünfunddreissig die Woche, wir haben beide Montage nicht gearbeitet. Etwa vierundzwanzig Mark Wochenlohn, in Mexico waren es zehn Mark. Die Inflation ist in Bolivien mit zwanzig Prozent im Jahr sogar überraschend gering, in Peru und Brasilien sind es über achthundert, in Argentinien waren es letztes Jahr dreihundertsiebzig. In den letzten zwei Monaten lag die Rate in Bolivien sogar unter ein Prozent. Es ist ohne weiteres möglich, auf der Strasse Dollar zu tauschen: pro Dollar 2,51 Bs. im Ankauf und 2,49 Bs. im Verkauf. Auch diese geringe Differenz ist sehr ungewöhnlich.

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Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

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Oruro, eine Stadt auf dem Altiplano in Bolivien, gemalt 1989, Blick nach Süden auf die Hochebene. Im Vordergrund die Gräben der Kanalisation, die wir ausgehoben hatten.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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