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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

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36 - Truck-Tramp 399 - über Paraguay nach Brasilien

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36
Truck-Tramp 399 - über Paraguay nach Brasilien

5. August 1989
Immer mehr Leute warteten auf dem Bahnsteig von Villa Ballester. Ich kaufte mir eine Fahrkarte nach Campana.
Nordwestlich von Buenos Aires mündeten der Río Paraná und der Río Uruguay in die grosse Trichtermündung des Río de la Plata, der die immensen Wassermassen der beiden grossen Flüsse dem Atlantik zuführte. Der Paraná war der grössere Fluss - das Sumpfland war an der Mündung fast hundert Kilometer breit. Und dennoch gab es hier eine Brücke, zwischen Campana und Zárate, fünfzig Kilometer flussaufwärts von El Tigre. Der Paraná kam von Paraguay und war einer der längsten Flüsse der Erde - die nächste Brücke landeinwärts lag fünfhundert Kilometer weiter bei Santa Fé.
Da es in Argentinien Züge gab, hatte ich mich stilvoll für den Zug entschieden. Er hatte allerdings Verspätung.
Die Leute in Buenos Aires kamen nicht zu einer bestimmten Abfahrtszeit eines Zuges zum Bahnhof, sondern zu irgendeiner beliebigen Zeit, die jeweils der ebenfalls völlig beliebigen Zeit der tatsächlichen Zugabfahrten beliebig nahe kommen sollte. Von Minute zu Minute kamen mehr Menschen auf den Bahnsteig. Was das wohl für ein langer Zug sein musste?
Als der kleine Nahverkehrszug mit der abenteuerlich aussehenden Diesellok - sie sah aus wie ein billiger Nachbau einer deutschen Rangierlok aus den sechziger Jahren - bereitgestellt wurde, ging es zu wie am 6. Mai 1980 im Hauptbahnhof von Köln. Mit einem Unterschied: als der Zug vollkommen überfüllt war, kamen keine Schaffner, die die Türen schlossen. Die Fahrgäste mussten selbst herausfinden, wann der Zug voll war. Und hatten sie das einmal getan, war es nur selten möglich, die Türen zu schliessen.
Ich stand da, mit Rucksack und Schlafsack, in Höhe der Lokomotive, schüttelte den Kopf und wusste nicht, ob ich lachen oder staunen sollte. In der Lok sassen vier oder fünf Leute, die unschwer errieten, dass ich Fremder sein musste und noch nie auf einem argentinischen Bahnhof gestanden haben konnte.
- Wie soll ich denn da jetzt reinkommen!? Ich wollte doch nach Zárate!
- Nein, da kommst du jetzt nicht mehr rein, das ist jetzt zu spät. Der Zug ist schon voll. Wir fahren auch gleich los, che..
- Ich komme aus Alemania, wir haben da auch Züge. Mein Vater ist Ingenieur, der baut Loks. Aber elektrische.
- Aus Alemania? Ganz schön weit weg, che. Wie schnell können die elektrischen Loks denn fahren?
- Zweihundert Stundenkilometer.
- Na, das erreichen wir hier wohl nicht ganz.
Sie kamen auf eine Idee.
- Wir können ihn ja hier mitnehmen. Hast du schonmal in einer Lok gesessen? In Alemania?
- Nein, noch nie. Echt, ihr würdet mich mitnehmen?!
Sie öffneten die Tür und schafften in der engen Fahrerkabine der Diesellok noch etwas Platz. Dass sie vierzig Minuten Verspätung hatten, wussten sie zwar, es schien aber noch gut im vertretbaren Rahmen zu liegen.
Langsam schlich der Zug übers Land. Bald erreichte er auf der schnurgeraden Strecke sogar rekordverdächtige vierzig Stundenkilometer. Schneller konnte er nicht fahren - angesichts dessen, dass viele Fahrgäste nur auf den Trittbrettern standen und sich festhielten.
- Was, du willst nach Brasilien trampen?! Alle Achtung!
- Ja, ich muss irgendwie diese Brücke über den Paraná bei Zárate finden, und von dort trampe ich dann weiter nach Norden.
- Die Brücke? Che, die kommt erst weit hinter Campana, kurz vor Zárate, da halten wir doch einfach an und lassen dich da raus.
Welche Ehre. Ich war gerührt.
Über dem flachen Land war die Brücke schon von weitem nicht zu übersehen. An der Stelle, die ihr am nächsten lag, drosselte der Lokführer die Geschwindigkeit, liess mich bei langsamer Fahrt von der Lok abspringen, drehte gedämpft wieder auf und fuhr weiter nach Zárate. Sie winkten mir nach.
Zwei Kilometer ging ich über die Wiesen zur grossen Brücke über den Río Paraná de las Palmas.

Lange stand ich nicht vor der grossen Hängebrücke, die den Paraná überquerte, als ein weisser Kleinwagen anhielt und mich mitnahm.
Der Fahrer machte einen netten Eindruck, ein Unternehmer, Holzhändler aus Rosario. Die Millionenstadt Rosario lag zweihundertfünfzig Kilometer entfernt am Westufer des Río Paraná in der Provinz Santa Fe. Wir fuhren über die imposante Hängebrücke und überquerten dabei die Provinzgrenze zwischen Buenos Aires und Entre Rios. Entre Rios, zwischen Flüssen, also die Provinz zwischen dem Río Paraná im Westen und dem Río Uruguay im Osten. Der Río Uruguay markierte die Grenze zwischen Argentinien und Uruguay.
Da es bei Rosario keine Brücke über den Paraná gab, musste er den Fluss hier überqueren und anschliessend noch ein paar hundert Kilometer nach Norden fahren. Im Norden von Entre Rios wuchsen die Eukalyptus-Wälder. Oder besser gesagt, dort wurden die Eukalyptusbaum-Felder angebaut und nach wenigen Jahren geerntet. Der Unternehmer war ein weiteres Opfer der Wirtschaftskrise.
Die Telefongesellschaft, deren Angestellte schon seit Wochen keinen Lohn mehr gesehen hatten, befand sich schon lange im Streik. Die Telefonleitungen waren zusammengebrochen und es fand sich niemand, der sie reparierte. Die einzige Möglichkeit herauszubekommen, wie die aktuellen Holzpreise waren, lag darin, selbst nach Entre Rios zu fahren und sich vor Ort zu erkundigen.
Auf der anderen Seite des Flusses, als wir nach vielen Kilometern die Brücke hinter uns liessen, stand eine Frau mit Kind an der Strasse. Der Holzhändler hielt an, nahm die beiden mit und setzte sie nach ein paar Kilometern an ihrem Ziel ab. Ein netter Fahrer.
Die Strasse führte über zig Kilometer strikt nach Norden. Sie näherte sich an einigen Stellen sehr dicht dem Río Uruguay. An einer solchen Stelle hielt er an und legte eine kleine Pause ein. Von hier konnten wir das andere Flussufer sehen. So würde ich wenigstens einmal sagen können, ich habe Uruguay live gesehen.
Die Strasse war in gutem Zustand und es ging immer weiter nach Norden. Die Vegetation änderte sich, das Land wurde subtropischer. Irgendwann sahen wir die ersten Eukalyptus-Felder. Sie sahen aus wie überdimensionale Getreidefelder. Die Erntemaschinen waren ebenso beeindruckend. Von Wäldern wie in Mitteleuropa konnte keine Rede sein - hier wuchs kein Wald, hier wurden Bäume angebaut, wie riesige Getreidehalme. Unterholz oder irgendwelches Leben gab es unter den Bäumen nicht.
Am späten Nachmittag hatten wir nach bald fünfhundert Kilometern Fahrt einen kleinen Ort erreicht, Nueva Federación, wo der Unternehmer einige Geschäftspartner aufsuchte. Sie waren nicht da und er musste extra auf einen Golfplatz fahren. Ich war noch nie auf einem Golfplatz gewesen. Auch ein besonderes Erlebnis. Sehr sportlich war der ziemlich überernährte Fahrer nicht gerade - aber das war auf dem Golfplatz offenbar nicht unbedingt gefragt. Gefragt waren die aktuellen Holzpreise, über die er sich mit seinen Geschäftspartnern unterhielt.
Dabei wurde es dunkel. Er bot mir an, mit ihm im Motel zu übernachten. Morgen könnte ich nach Norden weitertrampen. Er würde wieder nach Rosario, über die Brücke bei Santa Fe. Tausend Kilometer Fahrt für ein paar Holzpreise. Er war zufrieden, denn er hatte sie erfahren. Das war es, was er gewollt hatte.

Was er noch wollte, und zwar von mir, begriff ich erst, als ich im Zweibettzimmer aus der Dusche kam und er nackt auf dem Doppelbett lag. Das konnte doch nicht wahr sein, dachte ich im ersten Moment. Nein, ich sei schon zu müde, und hätte heute keinen Bock mehr auf Sex, meinte ich und legte mich ermattet ins Bett. Ich hatte wenigstens etwas Glück, dass auch er nach siebenhundert Kilometern Autofahrt ziemlich fertig war, nach einer knappen halben Stunde ein Einsehen hatte und mit seiner ewigen Fragerei warum denn nicht? aufhörte. Es war gut, dass ich die Frauen-Kapitel in Rüdiger Nehbergs Survival-Büchern gelesen hatte und wusste, wie sich Frauen in solchen Situationen verhalten sollten. So tun als wäre man komplett müde und kaum noch ansprechbar.
Einschlafen konnte ich noch lange nicht. Warum hatte ich mich überhaupt darauf eingelassen, die Nacht mit ihm im Hotel zu verbringen? Ich hätte locker auch draussen schlafen können. Na gut, da hätte es keine Dusche gegeben.

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Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

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Oscars Scania-Truck mit Schnauze.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
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