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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

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36 - Truck-Tramp 399 - über Paraguay nach Brasilien

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08

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18. August 1989
Es war ein herrlicher Morgen. Ich legte eine kleine Pause ein, ging an den einsamen Strand hinter den wunderschönen Dünen von Itaúnas, sonnte mich, wusch meine Sachen im Atlantik und badete ausgiebig im blauen Meer. Während ich mich sonnte, trockneten meine T-Shirts auf dem Sandstrand.
Am Nachmittag bekam ich eine Mitfahrgelegenheit zurück an die Bundesstrasse 101, die etwas weiter im Hinterland verlief und über anderthalb tausend Kilometer von Rio nach Salvador da Bahia führte. Ich wartete erst lange an einer Bushaltestelle, bis ich angesichts des ungnädig vorbeirauschenden Berufsverkehrs resigniert losging. Achtundvierzig Kilometer bis zur Bundesstaatsgrenze von Bahia.
Es half auch wenig, die Fahnen mit den vielen Ländern an den Rucksack zu pinnen, in denen ich schon gewesen war. In den Andenländern hatten die Leute die Bedeutung schnell verstanden - hier in Brasilien wussten die meisten Menschen kaum, dass es andere Länder überhaupt gab. Im Süden des riesigen Landes gab es deutsche, polnische und italienische Kolonien, von daher fielen hellhäutige Leute mit blonden Haaren nicht auf. Trampen brachte keinen Spass hier.
Solange es nicht regnete, war ich zufrieden, dann lief ich eben immer weiter die BR 101 entlang und sammelte Kilometer. Brasiliens Bundesstrassen waren regelmässig mit Kilometerschildchen versehen. Ich hätte Lust, mit dem Fahrrad zu fahren.

Es war ein grauer, neuer VW-Lkw, der überraschend auf freier Strecke anhielt. Autokennzeichen aus São Paulo, also Fernverkehr. Ein älterer Fahrer sass am Steuer und schloss erst das Handschuhfach ab, bevor er mich reinliess. Kurze Frage, wo willst du hin, nach Bahia, okay steig ein. Ich war froh, dass endlich einer angehalten hatte, stieg sofort ein und er fuhr weiter.
- Ich bin auf dem Weg Richtung Amazonas, jetzt erstmal in den Süden von Bahia, dann Salvador, Recife... komm grad von Rio, bin jetzt eine Woche von Rio unterwegs.
Hatte er überhaupt gefragt, wohin ich wollte? Musste er ja.
Es gab viele Gründe, warum Lkw-Fahrer Anhalter mitnahmen. Mitleid mit dem Tramper, der nicht weiterkam, gehörte nur selten dazu. Viele hatten Lust auf ein wenig Unterhaltung während der langen Fahrt, ein wenig Abwechslung im Alltag. Oder sie waren früher selbst per Anhalter gefahren. Die wenigsten Fahrer unterhielten sich mit mir die gesamte Fahrt. Aber es kam nur selten vor, dass ein Gespräch so schnell zuende war und ich mir die Frage stellte, warum ein Fahrer mich mitgenommen hatte.
Viele unterhielten sich am Anfang der Fahrt mit mir allein schon deswegen, um einschätzen zu können, was für einen Menschen sie da mitgenommen hatten. Und ich natürlich auch. Doch er sagte nichts mehr. Auch kein Lächeln. Na gut, sagte ich mir, wenn ich trotzdem vorwärts kam. Ich fing automatisch an, auf die Kilometerschildchen am Strassenrand zu schauen.
Nach einer Viertelstunde setzte er plötzlich das Gespräch fort. Vielleicht hatte er solange gebraucht, um den bisherigen Informationsfluss zu verarbeiten?
- Bist du aus Rio oder kommst du jetzt nur aus Rio?
- Nein, momentan komm ich grad aus Buenos Aires, Argentinien. Daher spreche ich Spanisch, aber eigentlich bin ich Deutscher.
- Ah, deshalb, ich habe schon gedacht. Wegen dem Akzent, denn du hast keinen carioca-Akzent. Das hab ich gleich rausgehört.
- Ich spreche Spanisch, nicht Portugiesisch. Daran liegt das. Ich kann kein Portugiesisch.
- Doch, du sprichst Portugiesisch, du hast eben nur einen Akzent. Ich dachte, du wärst aus São Paulo.
Vielen Dank für die Blumen. Wo war ich hier denn? Er wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass Argentinien ein anderes Land war und dass es so etwas wie andere Länder überhaupt gab. Für einen älteren Überlandfahrer sehr ungewöhnlich.
Ich fand es erstaunlich, dass er es in Erwägung ziehen könnte, ich könnte ihm weismachen, ich wäre carioca. Cariocas hiessen die Einwohner von Rio. Die von São Paulo hiessen paulistas. Alemanha schien er nie gehört zu haben - für Fussball interessierte er sich nicht. In Europa, versuchte ich zu erklären. Ich sei Ausländer, nicht aus Brasilien.
- Aber du sprichst doch Portugiesisch!
- Nein, ich spreche Spanisch!
Ich gab es auf, diese komischen Vokale portugiesisch auszusprechen und verfiel in ein ganz normales argentinisches Spanisch. Schien ihn nicht weiter zu stören.
Argentinier und Brasilianer konnten sich verstehen und lernten die jeweilige Fremdsprache oft gar nicht. Einem solchen Gespräch zuzuhören, klang für unsere Ohren ungewöhnlich, weil wir es gewohnt waren, dass zwei Gesprächspartner sich auf eine Sprache einigten. Brasilianer wie er schienen Spanisch für einen portugiesischen Dialekt zu halten.
Von sich aus sprach er auch keine weiteren Themen an, also sassen wir schweigend nebeneinander. Irgendwann begann ich wieder die Kilometer bis zur Grenze von Bahia zu zählen.

Oft konnte ich hinterher, wenn ich die Geschehnisse überblickte, genau benennen, wo ich mich anders hätte verhalten können und wie ich mich in meinem Verhalten verbessern könnte. Aber manchmal wurde mir einfach nur eine Situation vorgeführt, bei der ich, hätte ich eine zweite Chance, kaum etwas hätte besser machen können. Das einzige, was ich hier hätte besser machen können, war, nicht in den Lkw einzusteigen. Nur ein paar kleine ungeschickte Fehler hatte ich gemacht. In jedem Fall hatte ich kein gutes Gefühl.

Bundesstaatsgrenze von Bahia. Damit hatte ich achtundvierzig Kilometer hinter mir - mehr als ein Tagesmarsch. Bei den brasilianischen Bundesstaatsgrenzen wurde kontrolliert wie in Europa an den Landesgrenzen. Der Fahrer gab mir einen Stapel Zettel in die Hand - ich solle zum Häuschen gehen und mir den Stempel geben lassen. Ich zögerte kurz, liess dann aber meine Sachen im Wagen und ging ins Häuschen.
Viele Brasilianer lebten auf der Strasse - der Fahrer muss davon überzeugt gewesen sein, dass ich wie die meisten nicht lesen konnte. Und ich machte den Fehler und schaute den Zettel nur flüchtig an. Firmensitz war São Paulo, die Fracht ging nach Salvador. Er hatte also noch achthundert Kilometer vor sich. Die Adresse seiner Firma merkte ich mir nicht.
Wir kamen durch eine Schlechtwetterzone im Süden Bahias. Es kübelte so stark, dass er stellenweise nur ganz langsam fahren konnte. Einmal sah er ein Schlagloch zu spät, uns haute es fast aus den Sitzen. Fünf Minuten später fragte er, ob ich mich erschrocken habe. Irgendwann wurde es dunkel und der Regen liess wieder nach.

Lange konnte er keine Lust mehr haben, durch die Nacht zu fahren. Plötzlich begann er ein Gespräch.
- Und jetzt? Wo willst du heute nacht schlafen?
- Weiss nicht, aber das wird kein Problem sein.
- Wieso kein Problem? Du musst dir doch Gedanken machen, du kannst doch nicht - irgendwo schlafen!
So, jetzt hatte ich die Faxen satt, jetzt bekam er eine Diskussion. Tat so, als wäre das das dicke Problem. Jetzt war eine Diskussion fällig. Wo hatte ich letzte Nacht geschlafen? Bei São Mateus.
- Macht euch keine Sorgen, was ihr essen, trinken und anziehen sollt. Euer Gott weiss, dass ihr das alles braucht. São Mateus sechs Vers einunddreissig. Mit dem Übernachten ist das genauso.
- Du machst dir nie Gedanken, wo du schlafen sollst?
- Wieso sollte ich? Allein schon der blinde Glaube an die Sprüche in der Bibel genügt.
- Gut, theoretisch, aber jeder muss doch- ich mein, du kannst mir doch nicht erzählen- nehmen wir ein Beispiel: wo wirst du heute nacht schlafen? Weisst du das?
- Die Frage wo ist doch nicht wichtig - aber wenn es nötig ist, heute nacht zu schlafen, dann werde ich heute nacht schlafen, und das weiss ich.
- Aber wie kannst du das denn wissen, wenn du nicht weisst- ich mein, das gibt doch keinen Sinn, was du da sagst.
- Das Leben selber gibt keinen Sinn, ich verrat dir mal was. In den letzten zwei Jahren hatte ich bis jetzt immer einen Platz für die Nacht.
- Mag ja sein, bis jetzt vielleicht. Und nur deswegen glaubst du, du findest jetzt auch was zum schlafen, bei dem Wetter! Und da bist du dir auch noch absolut sicher!
- Das Leben funktioniert nicht so, wie es auf den ersten Blick aussieht. Ich finde nicht was zum Schlafen weil gutes Wetter ist, sondern weil ich ein Vertrauen darin habe. Und wenn ich glaube, dass das Wetter darauf keinen Einfluss hat, dann hat es auch keinen Einfluss. Nur ohne dieses Vertrauen hätte ich jetzt Probleme.
- Okay, wir haben hier Religionsfreiheit, ich respektiere das, jeder hat das Recht zu glauben was er will, Brasilien ist ein freies Land. Aber jetzt mal im Ernst: wo willst du heute nacht schlafen?
Mann, war der Kerl schwer von Begriff. Ich solle mir keine Sorgen machen, beendete er das Gespräch wieder. Am liebsten hätte ich nochmal widersprochen.

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Google

Suchfunktion im Roman: Die Navigation im Roman hat selbst keine Suchfunktion. Wer innerhalb des Romans bestimmte Begriffe sucht, kann hier im Suchfeld bei Google den Begriff "wissenladen" und den Suchbegriff (beispielsweise den Namen eines Ortes) eingeben. Das sollte halbwegs funktionieren. Wenn "wissenladen" alleine nicht reicht, dann noch "cayenne" dazu eingeben.

Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

www.hausdernatur.de - Museum Haus der Natur in Cismar an der Ostsee

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www.wale-und-delfine.de - Wale und Delfine

 

 


Itaúnas am Atlantik, Espíritu Santo, Brasilien.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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