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Francisco Welter-Schultes: Umweg nach Cayenne

 

Eine Fortsetzungsgeschichte auf 739 Internetseiten.

 

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38 - Slalomfahren zwischen Trucks - mit dem Fahrrad an den Amazonas

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07

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2. Januar 1990 - Dienstag, 11. Tag.
Der Ort, den ich um sechs Uhr morgens mit dem Sonnenaufgang verlasse, heisst Jacamim. Es ist leider nicht so ruhig wie gestern, hier ist mehr Verkehr. Aber es geht ja noch. Um viertel nach sieben bin ich in Capanema. Wasser, weiter.
Strasse: Steigungen. Teer: geht noch so. Aber nicht mehr optimal. Wird ab Capanema noch schwächer. Hundertfünfzig Kilometer sind es noch bis Belém. Von dort muss ich mit der Fähre nach Macapá.
Immer mehr Verkehr. Ein kleiner naiver Radfahrer aus Mitteleuropa würde sagen
diese Lkw-Fahrer hier fahren aber sehr rücksichtslos. Mir aber hatten sie das schon in Bahia erklärt: auf einer stark befahrenen Strasse in Brasilien fährt das Fahrrad nicht auf dem Rand der rechten Fahrspur, sondern auf dem Strassenrand der entgegenkommenden, also der linken Spur. Das mache ich jetzt.
Das ist keine Verkehrsregel (sowas dürfte es in Brasilien nicht geben), sondern purer Pragmatismus: was dir entgegenkommt, kannst du sehen - was hinter dir kommt, nicht. Die Privatautos weichen in der Regel zwar aus, aber nicht die Lkw-Fahrer, hell drivers, die drängen dich ab, in den Strassengraben.
Ich habe seit Picos extra lauter bunte Fahnen hinten auf dem Gepäck angebracht, damit es etwas exotisch aussieht, und damit die wenigen, die wissen, dass es andere Länder gibt, erkennen, dass ich Ausländer bin.
Nur wenn die Strasse einsam ist, fährst du auf der rechten Spur. Ist etwas mehr Verkehr, fährst du auf der linken Seite, und wenn ein Lkw kommt, schaust du dich schnell um, ob von hinten etwas kommt. Ist frei, wechselst du auf die rechte Spur, lässt den Gegenverkehr passieren und wechselst danach wieder auf die Gegenspur. Und so fahre ich praktisch Slalom zwischen den Trucks und den Schlaglöchern. Es ist schlecht, dass ich keinen Spiegel habe.
Ab acht brennt die Sonne vom Himmel herab. 8:25 Uhr an
Posto Gaucha, Tacho 916, noch hundertdreissig Kilometer bis Belém. Wolken kommen wieder auf, verdecken die Sonne aber wieder nicht, jeden Tag dasselbe.
9:20 Uhr fahre ich weiter, Slalom, und es wird immer heisser. Zehn Kilometer weiter ist ein einladendes Becken mit Wasser, ich tauche meinen Kopf ganz ein, fahre weiter und schaffe es sogar noch, nun ständig auf der linken Fahrspur, bis zum
Posto Santa Maria, wo ich um elf ankomme. Tacho 942, also noch hundertzwei Kilometer bis Belém. Mittagspause.
Die, die mir gesagt haben, das sei mutig, mit dem Fahrrad durch Brasilien, die wussten, was sie damit meinten.
Auch das Slalomfahren ist ganz schön gefährlich. In Deutschland würde es als
grob leichtsinnig bezeichnet werden - hier ist es bisweilen die sicherste Möglichkeit, mit dem Fahrrad von A nach B zu kommen. Aber du kannst es natürlich nur bis zu einer gewissen Verkehrsdichte treiben, du bist ja nicht Rosi Mittermaier.
Wird es also noch etwas dichter, musst du ganz auf der linken Spur bleiben, so wie ich eben, dich haarscharf am Strassenrand halten und dich mit dem Gegenverkehr arrangieren.
Wenn es dann noch dichter wird, ist es wieder sicherer, auf der rechten Fahrspur zu fahren. Das ist dann das Allerschlimmste, was dir passieren kann, und als ich noch im
Posto Santa Maria Mittagspause mache, ahne ich schon fast, dass mir in den nächsten knapp hundert Kilometern genau das bevorsteht.
Wenn der Verkehr dann noch dichter wird, wird er langsamer, zähflüssiger, dann ist es wieder weniger gefährlich. Dann steigt auch die Anzahl der Pkws, die Anzahl der Frauen, die fahren, dann wird wieder vorsichtiger und etwas rücksichtsvoller gefahren. Der Stadtverkehr ist vergleichsweise harmlos.

Um zwei kommen ein paar Wolken, es regnet fast, die Hitze ist weg, ich kann weiterfahren. Und tatsächlich, die hundertzwei Kilometer bis Belém sind mörderisch. Sofort sehe ich, dass ich auf die rechte Fahrspur muss. Der Abstand zwischen den entgegenkommenden Fahrzeugen ist so kurz geworden, dass sie mich nicht mehr rechtzeitig erkennen können. Dazu kommen noch die Kamikaze-Überholer, die dich ohne Rücksicht auch auf dem Rand der linken Fahrspur von hinten nehmen würden.
Also radel ich auf der rechten Spur, oder besser am Rand, immer mit irgendwelchen beteigeuzischen Abschiedsformeln auf den Lippen, und ständig weiche ich auf den Randstreifen aus, muss stehenbleiben. Wie gesagt, wenn ein Mensch auf einer Überlandstrasse von einem Lkw totgefahren wird, passiert in Brasilien gar nichts. Kein Auto würde anhalten. Die Toten werden von der Landbevölkerung am Strassenrand vergraben... und das auch nur, damit keine Seuchen verbreitet werden.
Immer häufiger muss ich auf den nicht existierenden Randstreifen ausweichen. Die Lkw-Fahrer drängen mich oft sogar mit Absicht ab, machen richtig Jagd auf mich. Es ist klar: sie wollen keine Radfahrer auf dieser Strecke. Aber es gibt keine andere Strasse nach Belém, die ich fahren könnte. Noch ein halber Kilometer, noch ein halber Kilometer... um viertel vor vier komme ich, total fertig, an einem
Texaco-posto an. Mich erstaunt, dass ich trotz des dauernden Anhaltens einen Schnitt von vierzehn Stundenkilometern gemacht habe. Tacho 958.
Einen Moment überlege ich, ob ich einen Kleinbus oder einen Pick-up anhalten sollte, aber niemand würde hier anhalten. Ich schätze die Wahrscheinlichkeit auf neunzig oder fünfundachtzig Prozent, dass ich die Fahrt bis Belém lebend überstehe.
Aber gut, so sind die Spielregeln, wenn du draufgehst, dann gehst du eben drauf. Es gibt keinen anderen Weg, weiter.
Zweihundert Meter, abbremsen, von der Strasse runter, weiter... hundert Meter, wieder n Lkw, wieder abbremsen, anhalten, wieder in den Graben... weiter... noch zweihundert Meter, wieder runter... jeder Kilometer will hart erkämpft sein, ein erbitterter Kampf gegen den Tod auf der brasilianischen Strasse. Warum mache ich sowas? Wie komme ich dazu, sowas zu machen? Egal, nicht überlegen, weiterfahren.
Ich muss wieder an die Trucker aus Pernambuco denken.
Du siehst, heute spendieren wir dir das Essen, aber hinterher, auf der Strasse, werden wir dich nicht kennen. Das musst du wissen. Auf der Strasse gelten eigene Gesetze.
Ich fange an, mit den Lkws zu spielen. Ich fahre etwa einen Meter vom Rand entfernt, und kurz bevor er angerast kommt, im letzten Moment, weiche ich auf den äussersten Rand aus. So muss ich nicht abbremsen und komme schneller voran. Die Lkws fahren dann mit etwa fünfzig Zentimeter Abstand an mir vorbei, weichen also weiter aus, als wenn ich von vornherein auf dem äusseren Rand fahren würde.
Es ist ein lebensgefährliches Spiel, denn ein zu knapp hinter dem Truck fahrender Wagen würde mich nicht sehen. Und was ist, wenn einer betrunken ist?
Zwanzig nach fünf - ich komme in Castanhal an, fahre langsam durch, schaffe es noch bis zum
Posto Ipanema auf Kilometer 57. Esso, das sind in der Regel die unfreundlichsten, aber das ist hier wohl die Ausnahme von der Regel. Sogar mit Fenseher, draussen auf der Terrasse.
Hundertfünfzehn Kilometer warens heute. Brasilien hat fünf Prozent am Welt-Strassenverkehrsaufkommen, haben sie eben im Fernsehen gesagt. Aber elf Prozent Anteil an den Schwerunfällen in der Welt. Sie fahren wie die Hölle. Mir fallen die Augen zu.
Überall erzählen sie mir von Radfahrern, auch Europäern, die sie totgefahren haben.

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Google

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Für diejenigen, die die gesamte Textdatei lieber am Stück lesen wollen, und nicht jede Seite einzeln, gibt es 3 Word-Dateien, entsprechend den 3 Bänden, die von unserem Server auf Festplatte heruntergeladen werden können. Dies sind die reinen Text-Dateien, ohne Bilder drin. Nur mit Platzhaltern für Bilder. Die Word-Datei (Word 6.0/95 für windows) ist etwa 2001-2003 zusammengeschrieben worden, letzte Änderungen sind von 2005.
cayenne-band1.doc.
cayenne-band2.doc.
cayenne-band3.doc.


Hier noch ein paar weitere interessante Links:

 

www.planetposter.de - Posterverlag von Francisco Welter-Schultes und Ralph Krätzner

www.wissenladen.de - Der Onlineshop mit den guten Ideen

www.wissenladen.de/maps - übersichtliche Landkarten von allen Ländern der Welt

www.animalbase.org - Frühe zoologische Literatur online

www.hausdernatur.de - Museum Haus der Natur in Cismar an der Ostsee

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Brasilien, Bundesstrasse 407 durch das brasilianische Hinterland (Bahia und Pernambuco) bei Tanquinho, nördlich von Feira de Santana.

 

 

 

 

Der Roman Umweg nach Cayenne ist eine Fortsetzungsgeschichte in drei Bänden und basiert auf einer authentischen Geschichte (autobiographisch von Francisco Welter-Schultes).
Band 1 spielt von Mitte der 60er Jahre bis 1980 in Deutschland (erst Bayern, dann Mainz), Band 2 von 1980 bis 1987 in Deutschland (hauptsächlich in der Kleinstadt Neustadt in Holstein) mit einigen Passagen in der Türkei und in Griechenland (vor allem auf Kreta), Band 3 von 1987-1990 spielt hauptsächlich in Nord- und Südamerika (USA über Mexico bis nach Feuerland und dann Atlantikküste entlang nach Brasilien). Ganz am Ende kommen wir dann auch mal tatsächlich nach Cayenne, Französisch-Guyana. Der Titel ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen. Aber bis wir nach Cayenne kommen, dauert es einige Zeit, und ein paar kleine Umwege müssen schon in Kauf genommen werden.
Zusammengeschrieben wurde das Ganze so etwa zwischen 2001 und 2003.
Alle Personen, die im Text vorkommen, sind Personen des wirklichen Lebens. Um ihre Privatsphäre zu schützen, wurden die meisten von ihnen unter Pseudonymen genannt. Ausser bei Personen des öffentlichen Lebens.

Wir hoffen, die Navigation funktioniert halbwegs und wünschen viel Spass beim Lesen.

Für diejenigen, die einen kurzen Blick auf eine Landkarte werfen wollen, was ja mal ganz nützlich sein kann, hier eine kleine Auswahl von Landkarten aus Europa:
Bosnien und Herzegowina   Deutschland   Frankreich   Griechenland   Italien   Österreich   Rumänien   Russland  Schweden   Spanien   Türkei



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